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Das Orakel von Port-nicolas

Das Orakel von Port-nicolas

Titel: Das Orakel von Port-nicolas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Contrescarpe. Oder aber wirklich ganz woanders.«
    »Was macht Sie so sicher?«
    »Na, dieses Ding, Lanquetot, dieses kleine Ding … Ich habe es Ihrem Chef in allerbester Absicht gebracht. Und wenn er weniger voreingenommen wäre, hätte er Zweifel bekommen, er hätte nachgedacht und seine Arbeit getan.
    Ich habe das Spiel mitgespielt, ich habe mir nichts vorzuwerfen, und Sie sind Zeuge. Er macht seine Arbeit nicht? Um so besser, dann kümmere ich mich eben darum, mit seinem Segen und seinem Tritt im Hintern, genau das wollte ich.«
    »Ist dieses kleine Ding … ein Knochen?«
    »Ein menschlicher Knochen, mein Lieber. Ich habe es vorhin im Naturkundemuseum überprüfen lassen.«
    Lanquetot kaute an einem Nagel.
    »Das verstehe ich nicht … Es sah doch nach überhaupt nichts aus. Was denn für ein Knochen?«
    »Ein letztes Zehenglied. Unmöglich, herauszufinden, ob rechts oder links, aber wahrscheinlich von einer Frau. Zu suchen ist eine Frau.«
    Lanquetot ging kurz auf und ab, die Hände im Rücken verschränkt. Er mußte nachdenken.
    »Und dieser Zeh … Könnte der von einem … Unfall stammen?«
    »Unwahrscheinlich.«
    »Ein Zehenknochen auf einem Baumgitter ist nicht normal.«
    »Genau das denke ich.«
    »Wie hätte er da landen sollen? Und wenn es ein Schweinsknochen wäre?«
    »Nein, Lanquetot, nein. Es ist ein menschlicher Knochen, da brauchen wir nicht noch mal drauf zurückzukommen. Wenn Sie skeptisch sind, machen wir eine Analyse. Aber selbst Bufo ist damit einverstanden, es ist ein menschlicher Knochen.«
    »Scheiße.«
    »Sie haben’s, Inspektor.«
    »Was habe ich?«
    »Die Lösung. Wie ist der Knochen da hingekommen?«
    »Wie soll ich das wissen?«
    »Warten Sie«, sagte Kehlweiler. »Ich werde Ihnen was zeigen. Wären Sie so nett und würden Bufo halten?«
    »Aber gern.«
    »Gut, geben Sie mir Ihre Hand.«
    Louis zog eine Wasserflasche aus seiner Tüte und befeuchtete Lanquetots Hand.
    »Das ist wegen Bufo«, erklärte er. »Man kann sie nicht in der trockenen Hand halten. Nach kurzer Zeit mag sie nicht mehr, es wird ihr zu warm, das bekommt ihr nicht. So. Nehmen Sie Bufo zwischen Daumen und Zeigefinger, ziemlich fest, weil sie Sie nicht kennt. Nicht zu fest! Mir liegt an ihr. Sie ist das einzige Wesen, das mich reden läßt, ohne mich zu unterbrechen, und nie Rechenschaft von mir verlangt. Gut, also, schauen Sie jetzt.«
    »Sagen Sie«, unterbrach ihn Lanquetot, »haben Sie wirklich Sorel im Innenministerium angerufen?«
    »Aber nein, mein Lieber … Sorel ist zu isoliert, er kann es sich nicht mehr erlauben, mich offen zu decken. Das war ein Freund, der für mich seine Rolle spielt, er war informiert.«
    »Das war ein mieser Coup«, murmelte Lanquetot.
    »Ja, ziemlich.«
    Louis faltete wieder einmal das Papierknäuel auseinander und nahm vorsichtig den Knochen heraus.
    »Sehen Sie, Lanquetot, der ist angefressen, angegriffen.«
    »Ja.«
    »Sehen Sie all diese kleinen Löcher?«
    »Ja, natürlich.«
    »Also, verstehen Sie jetzt, wo das herkommt?«
    Der Inspektor schüttelte den Kopf.
    »Aus dem Magen eines Hundes, Lanquetot, aus dem Magen eines Hundes! Das ist ein verdauter Knochen, kapieren Sie? Die Magensäure macht diese Löcher da, daran besteht überhaupt kein Zweifel.«
    Louis steckte den Knochen weg und nahm seine Kröte zurück.
    »Komm, Bufo, wir gehen ein Stückchen, du, ich und der Inspektor. Der Inspektor ist ein neuer Freund. Hast du gesehen? Er hat dir nicht weh getan, nicht wahr?«
    Louis wandte sich Lanquetot zu.
    »Ich rede so mit ihr, weil sie ein bißchen bescheuert ist, ich hab es Ihnen schon erklärt. Mit Bufo muß man schlicht sein und darf nur Grundbegriffe verwenden: die Guten, die Bösen, Fressen, Fortpflanzung, Schlaf. Diese Grenzen überschreitet sie nicht. Manchmal versuche ich ein bißchen kniffligere, ja philosophische Reden, um ihre Intelligenz zu fördern.«
    »Die Hoffnung erhält am Leben.«
    »Sie war noch erheblich bescheuerter, als ich sie bekommen habe. Auch jünger. Gehen wir, Lanquetot.«

6
    Louis suchte den Parkplatz ab, die Hauseingänge, die Cafés. Inzwischen war es Nacht. Also die Metro. Sie würde nicht weit gehen, sie verließ ungern ihr gewohntes Umfeld. Als er sie auf dem Bahnsteig in der Station Gare d’Austerlitz sah, spürte er, wie sich etwas in seinem Magen beruhigte. Er beobachtete sie aus der Ferne. Marthe tat, als ob sie auf die letzte Bahn wartete. Wie lange würde sie es schaffen, so zu tun, als ob?
    Er ging den langen Bahnsteig entlang,

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