Das Paradies auf Erden
führte … alles zusammen knapp dreihundert Meilen. Vormittags hätte er noch im Krankenhaus zu tun, aber bis zum frühen Nachmittag würde er zurück sein. Als Fahrzeit gab er vier Stunden an, vielleicht etwas mehr, falls sie Mühe hätten, aus London herauszukommen.
Claudia bereitete sich sorgfältig vor. Sie packte alle Geschenke in einen großen Karton, den Cork in einer Abseite gefunden hatte, stellte den Hundekorb zurecht und vergaß auch die Futterkonserven und Harveys Lieblingsknochen nicht.
Sie wollte im Kostüm reisen und für die Kirche den neuen Wintermantel mit dem kleinen dazu passenden Samthut mitnehmen. Außer dem Kostüm wählte sie noch das zartblaue Jerseykleid und das grün karierte Seidenkleid aus, ferner Blusen und Pullover, die sich mit dem Kostümrock kombinieren ließen, und zwei Paar elegante Schuhe. Thomas sollte stolz auf sie sein.
Sie verließen London kurz nach drei Uhr. Der Himmel hatte sich tagsüber bezogen, und die Dämmerung drohte früh einzusetzen. Die meisten Geschäfte waren schon erleuchtet. Auf den größeren Plätzen erstrahlten bunt geschmückte Lichterbäume, und wie immer am Weihnachtsabend hasteten noch Menschen durch die Straßen, um die letzten Geschenke zu besorgen.
„Ich liebe Weihnachten”, meinte Claudia, der bei dem Anblick ganz fröhlich zu Mute wurde. “Alle wirken so glücklich. Hoffentlich werden es auch für Cork schöne Tage.”
“Mach dir um ihn keine Sorgen”, beruhigte Thomas sie. “Am ersten Feiertag kommt seine verwitwete Schwester, und am zweiten besuchen ihn alte Freunde, die bis zum Abend bleiben.”
“Das freut mich.”
Es war eine Geduldsprobe, aus London herauszukommen, aber endlich erreichten sie die Ml. “Wir legen vor Birmingham eine kleine Teepause ein”, sagte Thomas, “damit Harvey kurz an die Luft kommt. Ich kenne dort eine gute Raststätte.”
Danach wurde nur wenig gesprochen, aber Claudia war froh, in Ruhe nachdenken zu können. Sie hatte Thomas’ Eltern auf der Hochzeit kennen gelernt, aber was sollte sie tun, wenn die Tait-Bullens inzwischen ihre Meinung über sie geändert hatten? Und was war mit Thomas’ Schwestern? Sie begann vorsichtshalber damit, sich passende Gesprächsthemen auszudenken.
Der Rolls-Royce näherte sich Birmingham lautlos und ohne Verzögerung. An der erwähnten Raststätte stiegen sie aus, schöpften einen Moment frische Luft und betraten dann das verhältnismäßig leere Restaurant, in dem Selbstbedienung herrschte. Thomas wählte einen Tisch aus, ging zur Theke und kam wenig später mit einem Tablett zurück, auf dem Teegeschirr und ein Teller mit Gebäck standen.
Gut, dass Cork seinen Herrn nicht so sieht, dachte Claudia belustigt. Er würde auf der Stelle ohnmächtig werden.
Sie tranken den heißen, starken Tee, aßen das Gebäck dazu, und da niemand zusah, stellte Claudia Harvey eine Untertasse mit Milch hin. Anschließend fütterte sie ihn mit den beiden letzten Keksen.
“Machen wir noch einmal Rast?” erkundigte sie sich.
“Eigentlich nicht, aber wenn du eine Pause brauchst…“
“Ich dachte mehr an Harvey”, erwiderte Claudia leicht gekränkt.
“Oh, natürlich.” Thomas musste lachen. “Er wird die nächsten Stunden bestimmt durchschlafen.”
Eine Stunde später lag auch Liverpool hinter ihnen, und nach einer weiteren Stunde verließen sie die Autobahn, um südlich von Kendal den Lake Windermere zu erreichen. Die Straße war gut, wenn auch nicht sehr breit, und führte durch eine dunkel bewaldete Landschaft. Einzelne Dörfer tauchten auf -
Grigghall, Croathwaite, Bowland Bridge -, dann kam wieder lange nichts, bis sie am Südende des Sees Staveley erreichten. Von da an wurde die Straße so schmal, dass Thomas nur noch langsam fahren konnte.
Finsthwaite unterschied sich nicht sehr von den Dörfern, die sie bisher gesehen hatten. Erst einzelne Bauernhöfe, dann einige zusammengedrängte Cottages, ein Dorfladen, ein Postbüro, die Kirche und unterhalb eines sanften Abhangs die Schule. Dahinter begann schon der Grizedale Forest, ein Paradies für Wanderer, das jetzt in völligem Dunkel lag.
Thomas fuhr durch das Dorf hindurch und bog am Ende in eine Auffahrt ein, die in einer weiten Kurve zum Haus seiner Eltern führte. Es war ein stattliches Haus aus grauem Flintstein, dessen Fenster hell erleuchtet waren. Sobald sie hielten, wurde die schwere Haustür geöffnet, und Mr. und Mrs. Tait-Bullen erschienen, um sie zu begrüßen.
Claudia hätte sich um ihren Empfang keine
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