Das Paradies auf Erden
angeschlagen hatte, der Atem. Außerdem hielt er weiter ihren Arm und schob sie unentwegt vorwärts - eine verständliche, aber keinesfalls freundliche Geste!
Thomas ahnte, was in Claudia vorging, sagte aber nichts dazu. Sein Wunsch, sie fest in die Arme zu nehmen und zu küssen, war groß, aber damit hätte er alles noch schlimmer gemacht. Sollte sie ihn doch vorübergehend hassen. Das war besser, als wenn er sie erschreckte.
Zu Hause übergab er Harvey Corks Obhut, half Claudia aus dem Mantel und ging mit ihr ins Wohnzimmer. “Hier, trink das! ” befahl er und drückte ihr ein Glas in die Hand. “Danach wird es dir besser gehen.”
“Was ist das?” fragte sie leise.
“Ein doppelter Brandy. Er wird dir nicht schmecken, aber trink ihn als Medizin.”
Claudia leerte das Glas in einem Zug, hustete, wurde sanft auf den Rücken geklopft und brach in Tränen aus.
“Denk nicht, dass ich weine”, erklärte sie keuchend. “Das ist nur der grässliche Brandy.”
Thomas hütete sich zu widersprechen, aber er unterdrückte ein Lächeln, als er wieder in den Flur ging, um seinen Mantel auszuziehen. Cork erwartete ihn besorgt.
“Ist Madam verletzt? Hat es einen Unfall gegeben?”
“Keinen Unfall, Cork. Mrs. Tait-Bullen hat nur einen leichten Schock7”
“Dann bringe ich gleich den Tee.”
“Eine ausgezeichnete Idee, und geben Sie Harvey einen Extrahappen. Er hat sich ebenfalls geängstigt.”
Cork verschwand lautlos und kam einige Minuten später mit einem Tablett in Händen und Harvey ins Wohnzimmer. Er stellte alles so hin, dass Claudia es von ihrem Sessel aus bequem erreichen konnte, versicherte, dass die Muffins ganz frisch aus dem Backofen kämen, und zog sich wieder zurück. Madam sah wirklich nicht gut aus. Sie erschien sonst immer untadelig, aber heute war ihr Haar bedenklich zerzaust, und ihr Gesicht zeigte deutliche Tränenspuren. Es war zu wünschen, dass Master Thomas sie angemessen tröstete!
Claudia ließ sich von Thomas ein Taschentuch reichen, tupfte ihr Gesicht ab und putzte sich die Nase. “Ich werde hinaufgehen und mich etwas zurechtmachen”, murmelte sie und wollte aufstehen.
“Das ist nicht nötig. Du siehst reizend aus. Die Wirkung des Brandys verfliegt, sobald du etwas gegessen hast.”
Thomas bedauerte sein unfreundliches Verhalten im Park. Er hatte Angst um Claudia gehabt, und diese Angst hatte sich in Zorn geäußert. Das musste er, so schnell es ging, wieder gutmachen.
Er schenkte Tee ein und legte Claudia ein Muffin auf ihren Teller. “Du hast mir vorhin einen gehörigen Schreck eingejagt”, bemerkte er dabei. “Diese halbwüchsigen Straßenjungs können ziemlich brutal sein. Versprichst du mir, bei Dunkelheit nie wieder in einen Park zu gehen?”
“Gewiss, aber du warst so zornig …“
“Es war der Zorn auf die Strolche … nicht auf dich. Ich hätte dir nicht die Schuld geben dürfen. In Little Planting drohten dir keine solchen Gefahren. Du konntest nicht damit rechnen.”
Claudia atmete auf. Thomas sprach wieder wie sonst mit ihr, und alles würde gut werden. “Ich hätte daran denken sollen”, gab sie zu und kostete von dem Muffin. “Es war dumm von mir.”
Sie beeilten sich nicht mit dem Tee. Thomas lenkte das Gespräch auf Weihnachten und die Fahrt nach Cumbria. “Man kann dort auch im Winter herrliche Spaziergänge machen”, meinte er. “Ich freue mich schon darauf, dir die Schönheiten der Landschaft zu zeigen.”
“Ich werde die festeren Stiefel mitnehmen…”
“Und vor allem warme Kleidung. Hast du Zeit gehabt, alle Geschenke einzupacken?”
Claudia nickte. “Mehr als genug, und ich habe noch einige Kleinigkeiten ergänzt. Eine Schachtel Konfekt, einen Schal, eine Flasche Eau de Toilette …
nur für den Fall, dass wir jemanden vergessen haben oder unerwarteter Besuch kommt.”
Claudia ging mit dem beruhigenden Bewusstsein schlafen, dass sich nichts geändert hatte. Thomas war den Abend über ziemlich schweigsam gewesen, aber sie hatten friedlich zusammengesessen - er mit seiner Lektüre, sie mit ihrer Stickerei. Ein harmonischer, ganz normaler Abend …
10. KAPITEL
Der vierundzwanzigste Dezember wurde zum Reisetag bestimmt. Es war zwar ziemlich weit bis Finsthwaite, aber Thomas wies darauf hin, dass sie fast die ganze Zeit die Autobahn benutzen würden: bis Birmingham die Ml und dann bis Kendal die M6. Kurz vor Kendal würden sie die Autobahn verlassen und die Landstraße nehmen, die am Südufer des Lake Windermere nach Finsthwaite
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