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Das Paradies der Damen - 11

Das Paradies der Damen - 11

Titel: Das Paradies der Damen - 11 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Szene.
    »Das sind Ihre Brüder?« fragte Mouret. Sein Ton war kalt, wie immer, wenn er jetzt mit ihr sprach.
    Denise zuckte zusammen, dann erwiderte sie, bemüht, ebenso kühl zu erscheinen:
    »Ja, Herr Mouret. Ich habe den älteren verheiratet, und jetzt schickt ihn seine Frau wegen verschiedener Einkäufe her.«
    Mouret betrachtete die drei immer noch, schließlich sagte er: »Der jüngere ist ordentlich in die Höhe geschossen. Ich erinnere mich, ihn eines Abends mit Ihnen in den Tuilerien gesehen zu haben.«
    Seine Stimme wurde bei diesen Worten gedämpfter, sie zitterte ein wenig. Denise bückte sich verwirrt und tat, als müsse sie Pépés Gürtel in Ordnung bringen. Die beiden Brüder erröteten und lächelten dem Chef ihrer Schwester zu.
    »Sie sehen Ihnen sehr ähnlich«, bemerkte Mouret weiter.
    »Oh«, rief Denise, »sie sind viel hübscher als ich!«
    Er schien einen Augenblick die Gesichter vergleichen zu wollen. Doch er war mit seiner Kraft am Ende. So sehr liebte sie sie, diese Kinder … Er ging ein paar Schritte weiter, kehrte indessen um und flüsterte ihr zu:
    »Kommen Sie nach Geschäftsschluß in mein Arbeitszimmer. Ich habe mit Ihnen zu sprechen, bevor Sie abreisen.«
    Dann entfernte er sich und nahm seinen Rundgang wieder auf. Von neuem begann der Kampf in seinem Innern. Die Verabredung mit ihr wühlte ihn auf. Welcher Regung hatte er da nur wieder nachgegeben? Es war doch lächerlich, er hatte ja gar keinen eigenen Willen mehr. Nun, er wollte ihr wenigstens ein paar Abschiedsworte sagen.
    Bourdoncle, der sich ihm aufs neue angeschlossen hatte, schien seine Unruhe nicht zu teilen. Dennoch beobachtete er Mouret auch weiterhin.
    Denise hatte sich mittlerweile wieder zu Frau Bourdelais begeben.
    »Paßt der Mantel?« fragte sie.
    »O ja, sehr gut. Für heute hätte ich genug. Diese Kinder ruinieren einen ja vollständig.«
    Denise konnte sich nun um Jean kümmern und begleitete ihn in die verschiedenen Abteilungen, wo er sich ohne Führung gewiß nicht zurechtgefunden hätte. Vor allem wollte Thérèse den havannabraunen Mantel gegen einen weißen, aber im gleichen Schnitt, umtauschen. Das Mädchen hatte das Paket genommen und begab sich, von den beiden Brüdern begleitet, in die Konfektionsabteilung. Hier sah man nur wenige Kundinnen. Fast sämtliche Verkäuferinnen waren neu. Claire war seit einem Monat verschwunden; die einen sagten, der Mann einer Kundin habe sie entführt, die anderen hingegen versicherten, sie sei unter die Straßenmädchen gegangen. Marguerite wollte endlich nach Grenoble zurückkehren, um dort die Leitung eines kleinen Ladens zu übernehmen, in dem ihr Vetter sie erwartete. Nur Frau Aurélie blieb noch, unverändert und unwandelbar in dem glatten Panzer ihres Seidenkleids, das Gesicht maskenhaft starr wie eh und je. Die schlechte Aufführung ihres Sohnes Albert machte ihr allerdings viel Kummer, und sie hätte sich bereits auf ihr Landgut zurückgezogen, wenn dieser Taugenichts von Sohn sie nicht um ein gut Teil ihrer Ersparnisse gebracht hätte. Schon richtete Bourdoncle zuweilen scheele Blicke auf sie; er war überrascht zu sehen, daß sie nicht so viel Takt besaß, sich rechtzeitig zurückzuziehen, denn sie war zu alt für den Verkauf. Bald würde für die ganze Familie Lhomme die Stunde schlagen.
    »Wie, Sie sind es?« sagte sie mit übertriebener Liebenswürdigkeit zu Denise. »Sie wollen diesen Mantel umtauschen? Aber natürlich, sofort. Ah, da sind ja Ihre Brüder! Sie sind recht groß geworden.«
    Ungeachtet ihres Stolzes hätte sie sich am liebsten vor Denise auf die Knie geworfen, um ihr den Hof zu machen. In der Konfektionsabteilung sprach man jetzt von nichts anderem mehr als von dem bevorstehenden Weggang des Mädchens; die Direktrice wurde ganz krank davon, denn sie hatte mit der Fürsprache ihrer ehemaligen Verkäuferin gerechnet.
    »Man sagt, Sie wollen uns verlassen?« flüsterte sie. »Das ist wohl nicht möglich.«
    »Doch, doch«, erwiderte das Mädchen.
    Marguerite hatte zugehört; nun trat sie näher und sagte:
    »Sie haben recht, das Wichtigste ist die Selbstachtung. Ich wünsche Ihnen alles Gute, meine Liebe.«
    Es kamen einige Kundinnen, und Frau Aurélie forderte sie ziemlich barsch auf, sich um die Damen zu kümmern.
    Als Denise den Mantel nahm, um den Umtausch selbst zu erledigen, wollte Frau Aurélie das nicht zulassen, sondern rief eine der Aushilfskräfte herbei. Diese Neuerung hatte man ebenfalls Denise zu verdanken; dadurch wurden die

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