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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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in sexuellen Dingenspontaner und freier als die Tahitianer. Die Frauen, gleich ob verheiratet oder ledig, betrogen die Männer und verführten sie ohne jede Ziererei, trotz der ständigen Kampagnen der katholischen und der protestantischen Mission, die versuchten, sie den Normen des christlichen Anstands zu unterwerfen. Die Männer waren nach wie vor ziemlich rebellisch. Und einige, wie Tohotamas Ehemann, zögerten nicht, die Kirchen herauszufordern, indem sie sich als mahu kleideten, als Frau-Mann, mit einem Kopfputz aus Blumen und mit dem für Frauen typischen Schmuck an Knöcheln, Handgelenken und Armen.
    Eine weitere Enttäuschung erlebte Paul in seiner neuen Heimat, als er erfuhr, daß die Kunst der Tätowierung, in der sich die Marquesaner in ganz Polynesien in unvergleichlicher Weise hervorgetan hatten, im Verschwinden begriffen war. Die katholischen und protestantischen Missionare verfolgten sie hartnäckig, als Ausdruck der Barbarei. In Atuona, wo sie sich dem Bannstrahl von Priestern und Pastoren aussetzten, tätowierten sich nur noch wenige Einheimische. Anders im Innern der Insel, in den winzigen Weilern tief im Herzen der unwegsamen Wälder, wohin du aufgrund deines elenden Gesundheitszustandes unglücklicherweise nicht mehr gehen konntest, um dir ein Bild davon zu machen. Wie frustrierend, Koke! Sie dort zu wissen, wenige Kilometer entfernt, und nicht hingehen zu können, um diese Tätowierkünstler kennenzulernen. Er konnte nicht einmal die Ruinen von Upeke und ihre großen tikis oder steinernen Götzen im Tal von Taaoa besuchen, denn die beiden Male, die er versucht hatte, zu Pferde dorthin zu gelangen, war er vor Erschöpfung und Schmerzen ohnmächtig geworden. Den Enklaven, in denen die wunderschöne Kunst des Tätowierens überlebte, dieses kodifizierte, okkulte Wissen des Volkes der Maori, bei dem jede Figur ein Palimpsest war, das entziffert werden mußte, so nahe zu sein und sie durch die Schuld der unaussprechlichen Krankheit nicht sehen zu können verursachte ihm Schlaflosigkeit, Wut und in manchen Nächten sogar Weinkrämpfe.
    Die Dekadenz hatte leider auch diesen Ort erreicht. Bischof Joseph Martin, überzeugt, daß die Verbreitung von Krankheiten und Seuchen unter den Einheimischen auf den Alkohol zurückzuführen war, hatte ihn verboten. Im Laden von Ben Varney wurden Wein und Schnaps nur an Weiße verkauft. Doch die Medizin war schlimmer als die Krankheit. Da die Bewohner von Hiva Oa sich nicht mit Wein betrinken konnten, taten sie es mit Alkohol aus vergorenen Orangen und anderen Früchten, den sie heimlich destillierten und der ihnen die Eingeweide verbrannte. Empört darüber, bekämpfte Koke das Verbot, indem er im Haus der Wonnen einen Vorrat von Flaschen voll Rum anlegte, mit denen er sämtliche Eingeborenen beschenkte, die ihn besuchten.
    Er fühlte sich sehr erschöpft und hatte zum ersten Mal, seitdem er in seiner Zeit an der Pariser Börse entdeckt hatte, daß seine Berufung die Malerei war, keine Lust, sich vor die Staffelei zu setzen und zum Pinsel zu greifen. Nicht nur das körperliche Unwohlsein, das Brennen der Wunden an den Beinen, das abnehmende Sehvermögen und das Herzrasen verurteilten ihn dazu, seine Zeit müßig zu verbringen, während er kleine Schlucke Absinth trank, den er mit Wasser verdünnte, in dem er ein Stück Würfelzucker auflöste. Es war auch das Gefühl der Vergeblichkeit. Warum solltest du dich bemühen und die wenige Energie, die dir noch blieb, für Bilder verausgaben, die, wenn du sie überhaupt beenden solltest, nach einer endlosen Reise nach Frankreich gelangen und dort im Depot des Galeristen Ambroise Vollard oder auf dem Dachboden von Daniel de Monfreid vor sich hin dämmern und darauf warten würden, daß irgendwann einmal ein Kaufmann den Wunsch haben könnte, sie für ein paar Francs zu erwerben, um mit ihnen sein neugebautes Haus zu dekorieren?
    Eines Tages während des Sprachunterrichts sagte Vaeoho halb in Französisch, halb in Maori etwas zu dir, das dunicht verstehen konntest. Oder nicht verstehen wolltest, Koke. Er ließ es sie mehrmals wiederholen, bis ihm nicht mehr der geringste Zweifel an der Bedeutung blieb: »Jeden Tag bist du älter. Bald werde ich Witwe sein.« Er ging zum Spiegel und schaute sich an, bis ihm die Augen weh taten.
    Darauf beschloß er, sein letztes Selbstbildnis zu malen. Das Zeugnis seines Verfalls in diesem verlorenen Winkel der Welt, umgeben von Eingeborenen, die, im Niedergang wie er, in Tatenlosigkeit,

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