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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Dienstmädchen ihr einen Strauß Blumen reichte, wurde er natürlich rot bis über beide Ohren. Wohl aus Furcht, dieser Akt könne noch Schlimmeres ankündigen, brachte er einen Vorwand vor, um zu gehen.
    »Der Himmel wird sich jeden Augenblick neu entladen«, sagte er, während er auf die bedrohlichen, dunklen Wolkenformationen wies, die sich Atuona näherten. »Ich möchte nicht zur Mission schwimmen müssen, wir haben Gottesdienst heute abend. Obwohl ich fürchte, daß bei diesem Unwetter niemand kommen wird. In meinem Garten steht bestimmt keine Pflanze mehr aufrecht. Auf Wiedersehen, alle miteinander. Köstlich, das Omelett, Paul.«
    Er ging, im Schlamm balancierend, und als er an den beiden grotesken Figuren Pater Wollust und Thérèse vorbeikam, vermied er es, sie anzuschauen. Tioka hatte den Blick auf das Photo geheftet, und nachdem er eine ganze Weile über seinen schneeweißen Bart gestrichen hatte, fragte er in seinem bedächtigen Französisch:
    »Eine Göttin? Eine Hure? Wer ist sie, Koke?«
    »Beides und sehr viel mehr«, sagte Paul, ohne wie seine Freunde zu lachen. »Das ist das Außergewöhnliche an diesem Bild. Tausend Frauen in einer einzigen. Für alle Lüste, für alle Träume. Die einzige Frau, der ich nie überdrüssiggeworden bin, meine Freunde. Obwohl ich sie jetzt kaum noch sehen kann. Aber ich habe sie hier, hier und hier.«
    Und während er das sagte, faßte er sich an den Kopf, ans Herz und an sein Geschlecht. Seine Freunde quittierten es mit erneutem Lachen.
    Wie Vernier prophezeit hatte, verdunkelte sich der Himmel sehr rasch. Auch die Anhöhe des Friedhofs war nicht mehr zu sehen, aber man hörte den Fluß Make Make tosen, der viel Wasser führte. Als der Regen losbrach, suchten sie, mit den Gläsern in der Hand, Zuflucht im Bildhaueratelier, das trockener war als der Rest des Hauses. Sie hockten sich, bis auf die Knochen durchnäßt, auf die einzige Bank und das zerschlissene Sofa. Paul füllte erneut ihre Gläser. Dabei sah er, daß der Regenguß die Sonnenblumen des Gartens geknickt hatte, und es tat ihm leid um sie und um den verrückten Holländer. Ky Dong wunderte sich, daß er Vaeoho den ganzen Tag nicht gesehen hatte: Wo war sie, bei diesem Unwetter?
    »Sie ist bei ihrer Familie, in ihrem Dorf Hanaupe. Sie ist schwanger und möchte das Kind lieber dort zur Welt bringen. In Wirklichkeit ist das nur ein Vorwand, um mich loszuwerden. Ich glaube nicht, daß sie zurückkommt. Sie hat die Nase voll von allem hier, und vielleicht hat sie recht.«
    Deine Freunde wechselten verlegene Blicke. Sie war dich und deine Wunden leid, Paul. Deine vahine konnte ihr Mißfallen nicht verbergen, und du brauchtest sie nicht anzusehen, um dir darüber klar zu sein. Sie verzog jedesmal das Gesicht, wenn du sie berühren wolltest. Na ja, armes Mädchen. Du hattest dich in etwas Abstoßendes, in ein lebendes Wrack verwandelt, Koke. Doch in diesem Augenblick, mit der Wärme des Absinths in deinem Körper und im Kreis dieser Freunde, wolltest du dich trotz des himmlischen Furors wohl fühlen. Ein paar zerdrückte Sonnenblumen würden dir das Leben nicht mehr ruinieren, als es schon war, Koke.
    »In den Jahren, in denen ich hier lebe, habe ich es nie so regnen sehen«, sagte Ky Dong und zeigte in den Himmel.Der herabstürzende Regen prasselte heftig auf das Dach aus Bambus und geflochtenen Palmblättern und schien es fortreißen zu wollen. Die Blitze erleuchteten sekundenlang den Horizont, und dann verschwanden sämtliche Berge von Hiva Oa, die sie umgaben, ausgelöscht durch schwarze, grollende Wolken. Nicht einmal der Laden von Ben Varney war zu erkennen, obwohl er so nah lag. Das Meer in ihrem Rücken schien zu toben. Das Ende der Welt, Koke?
    »Ich habe diese Insel nie verlassen und habe auch noch nie einen solchen Regen erlebt«, sagte Tioka. »Etwas Schlimmes wird geschehen.«
    »Etwas Schlimmeres als diese Sintflut?« spottete Ben Varney mit schon recht schwerer Zunge. Dann wandte er sich an Paul und knüpfte wieder den Faden der Unterhaltung an: »Du hast also dieses Bild gesehen und alles über Bord geworfen und dich dem Malen gewidmet? Du bist kein Wilder, sondern ein Verrückter, Paul.«
    Er war zu komisch, der Ladenbesitzer, mit seinem rötlichen Haar, das ihm wie bei einer Tonsur auf der Stirn klebte. Er lachte, amüsiert und ungläubig.
    »Ich wollte, es wäre so einfach gewesen«, sagte Paul. »Ich war verheiratet. Und es war mir ernst damit. Ich hatte ein bürgerliches Heim, eine Frau, die

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