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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gewißheit, daß es das Profil einer Frau war; an anderen, daß es sich um einen Mann handelte. Das Bild beschäftigteihn, ließ ihn phantasieren, erregte ihn. Jetzt hatte er nicht den geringsten Zweifel: Zwischen diesem Bild und Jotefa, dem Holzfäller von Mataiea, bestand eine geheimnisvolle Verwandtschaft. Diese Entdeckung machte ihn schwindlig vor Freude. Die Götter Tahitis begannen, dich an ihren Geheimnissen teilhaben zu lassen, Paul. Noch am gleichen Tag zeigte er Teha’amana das Photo von Charles Spitz.
    »Ist das ein Mann oder eine Frau?«
    Das Mädchen betrachtete das Bild eine Weile prüfend, und schüttelte dann unentschlossen den Kopf. Auch sie konnte es nicht erraten.
    Sie führten lange Gespräche, während Paul seine Götzenfiguren schnitzte und der Junge ihn beobachtete. Er war respektvoll; wenn Paul nicht das Wort an ihn richtete, verharrte er still und stumm, voll Furcht zu stören. Aber wenn Paul die Unterhaltung anknüpfte, war er nicht mehr zu halten. Seine Neugier war kindlich, grenzenlos. Er wollte mehr über die Bilder und Skulpturen wissen, als Paul ihm sagen konnte; auch vieles über die sexuellen Sitten der Europäer. Neugierige Fragen, die vulgär und dumm gewesen wären, hätte er sie nicht mit der ungetrübten Unschuld formuliert, mit der er es tat. Hatten die Ruten der popa’a die gleiche Größe und die gleichen Formen wie die der Tahitianer? Glich das Geschlecht der Europäerinnen dem der hiesigen Frauen? Hatten sie mehr oder weniger Haar zwischen den Beinen? Wenn er diese Fragen in seinem mangelhaften, mit tahitianischen Worten und Ausrufen vermischten Französisch auf ihn abfeuerte, schien er nicht einer morbiden Neigung zu folgen, sondern begierig zu sein, seine Kenntnisse zu erweitern, herauszufinden, was Europäer und Tahitianer in diesem Bereich, der unter Franzosen im allgemeinen kein Gesprächsthema war, trennte oder verband. ›Ein echter Primitiver, ein wirklicher Heide‹, sagte Paul bei sich. ›Man hat ihn auf einen Namen getauft, der weder tahitianisch ist noch christlich, und ihn damit entehrt, und doch ist er noch immer ungezähmt.‹Bisweilen gesellte sich Teha’amana zu ihnen, um zuzuhören, aber vor ihr wurde Jotefa verlegen und schwieg.
    Für die mittleren oder großen Figuren zog Koke den Brotbaum, die Panamapalme oder pandanos , die Palmbäume oder boraus und die Kokospalmen vor; für die kleinen immer das Holz des sogenannten Balsabaums, aus dem die Tahitianer ihre Kanus herstellten. Weich und nachgiebig, fast wie Ton, ohne Knoten und Adern, fühlte es sich bei der Berührung an wie Fleisch. Aber es war schwierig, Balsaholz in der Umgebung von Mataiea zu finden. Der Holzfäller sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen. Wollte er einen guten Vorrat von diesem Holz? Einen ganzen Stamm? Er kannte ein Gehölz mit Balsabäumen. Und er wies auf den Hang des nächstliegenden, steilen Berges. Er würde ihn führen.
    Sie gingen im Morgengrauen los, ein Bündel Vorräte geschultert, nur mit Lendenschurzen bekleidet. Paul hatte sich daran gewöhnt, barfuß zu gehen wie die Eingeborenen, etwas, das er auch im Sommer in der Bretagne und vorher in Martinique getan hatte. Zwar hatte er sich in den Monaten, die er auf der Insel lebte, viel bewegt, aber immer nur auf den Küstenwegen. Dies war das erste Mal, daß er sich wie ein Tahitianer den Weg quer durch den Wald bahnte, in eine dichte Vegetation aus Bäumen, Sträuchern und Gestrüpp eindrang, die ein so kompaktes Gewirr über ihren Köpfen bildeten, daß sie die Sonne verbargen, auf Pfaden, die für seine Augen unsichtbar, für Jotefa jedoch klar erkennbar waren. In dem grünen, flirrenden Halbschatten, der belebt war vom Gesang ihm noch unbekannter Vögel, erfaßte Paul, während er das feuchte, ölige, pflanzliche Aroma einatmete, das ihm durch alle Poren seines Körpers drang, ein Gefühl der Trunkenheit, der Fülle, der Exaltation, als hätte er einen Zaubertrank getrunken.
    Einen oder zwei Meter vor ihm lief der Junge; er bewegte die Arme im Takt und hielt die Richtung, ohne zuzögern. Bei jedem Schritt zeichneten sich die Muskeln seiner Schultern, seines Rückens, seiner Beine ab, bewegten sich schweißglänzend, ließen ihn an einen Krieger, an einen Jäger vergangener Zeiten denken, der in den dichten Wald eindrang auf der Suche nach dem Feind, dessen Kopf er abschneiden, schultern und nach Hause tragen würde, um ihn seinem erbarmungslosen Gott zu opfern. Kokes Blut siedete; seine Hoden und sein Phallus

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