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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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befanden sich in Aufruhr, das Begehren schnürte ihm die Luft ab. Doch – Paul, Paul! – es war nicht das gewohnte Begehren, über diesen kräftigen Körper herzufallen, um ihn zu besitzen, sondern vielmehr der Wunsch, sich ihm hinzugeben, von ihm besessen zu werden, wie die Frau vom Mann besessen wird. Als hätte er seine Gedanken erraten, wandte Jotefa den Kopf und lächelte ihn an. Paul errötete heftig: Hatte der Junge deine steife Rute zwischen den Falten des Lendenschurzes bemerkt? Er schien dem nicht die geringste Beachtung zu schenken.
    »Hier ist der Weg zu Ende«, sagte er, mit dem Finger zeigend. »Er geht auf dem anderen Ufer weiter. Wir müssen uns naß machen, Koke.«
    Er tauchte in den Fluß ein, und Paul folgte ihm. Das kalte Wasser wirkte sich wohltuend auf ihn aus, befreite ihn von der unerträglichen Spannung. Als der Holzfäller sah, daß Paul im Wasser blieb, durch einen großen Felsen vor der Strömung geschützt, ließ er den Beutel mit den Vorräten und seinen Lendenschurz am anderen Ufer und tauchte lachend wieder ein. Das Wasser rumorte und bildete Wellen und Schaum um seinen wohlgeformten Körper. »Es ist sehr kalt«, sagte er, während er sich Paul näherte, bis er ihn berührte. Alles um sie herum war blaugrün, kein einziger Vogel zwitscherte, und abgesehen vom Rauschen der Strömung an den Felsen herrschten eine Stille, eine Ruhe und eine Freiheit, die, dachte Paul, zum irdischen Paradies gehören mußten. Seine Rute war abermals steif, ihm war, als würde er vergehen vor diesem unbekannten Begehren, sich hinzugeben, sich auszuliefern,wie ein Weib von dem Holzfäller genommen und vergewaltigt zu werden. Seine Scham überwindend, den Rücken Jotefa zugewandt, ließ er sich gegen ihn sinken und lehnte seinen Kopf an die Brust des Jungen. Mit einem frischen Lachen, in dem er nicht die geringste Spur von Spott erkennen konnte, legte ihm der Junge die Arme um die Schultern und zog ihn an sich, bis er ihn fest gegen seinen Körper gedrückt hielt. Paul fühlte, wie er sich zurechtrückte, sich anschmiegte. Er schloß die Augen, von Schwindel erfaßt. Von hinten spürte er die ebenfalls harte Rute des Jungen, der sich an ihm rieb, und statt ihn wegzustoßen und zu schlagen, wie er es so oft in seiner Zeit als Seemann getan hatte, wenn seine Gefährten versuchten, ihn wie eine Frau zu mißbrauchen, ließ er ihn gewähren, ohne Ekel, mit Dankbarkeit und – Paul, Paul! – mit höchstem Genuß. Er fühlte, wie eine Hand Jotefas unter dem Wasser tastete, bis sie sein Geschlecht zu fassen bekam. Kaum spürte er die Liebkosung, ejakulierte er mit einem lauten Seufzer. Jotefa tat es gleich darauf, zwischen seinen Beinen, noch immer lachend.
    Sie stiegen aus dem Fluß; mit dem Stoff der Lendenschurze wischten sie das Wasser ab, das von ihren Körpern troff. Dann aßen sie die Früchte, die sie mitgebracht hatten. Jotefa machte nicht die geringste Anspielung auf das, was geschehen war, als hätte es keine Bedeutung oder als hätte er es schon vergessen. War das nicht wunderbar, Paul? Er hatte etwas mit dir getan, das im christlichen Europa Angst und Reue, ein Gefühl von Schuld und Scham auslösen würde. Doch für den Holzfäller, ein freies Wesen, war es bloße Zerstreuung, ein Zeitvertreib. Was für einen besseren Beweis konnte es dafür geben, daß die fälschlich so genannte europäische Zivilisation die Freiheit und das Glück zerstört und die Menschen der Freuden des Körpers beraubt hatte? Gleich morgen würdest du ein Bild über das dritte Geschlecht beginnen, das der Tahitianer und der Heiden, die von der Eunuchenmoral des Christentums nicht korrumpiert waren, ein Bild über die Zweideutigkeitund das Geheimnis dieses Geschlechts, das dir mit deinen vierundvierzig Jahren, in einem Alter, in dem du glaubtest, dich zu kennen und alles über dich zu wissen, in diesem Paradies und durch Jotefa offenbart hatte, daß sich in der Tiefe deines Herzens, versteckt in dem männlichen Riesen, der du warst, eine Frau verbarg.
    Sie erreichten das Gehölz mit den Balsabäumen, hackten einen langen, dicken Ast ab, aus dem Paul die tahitianische Eva schnitzen konnte, die er im Kopf hatte, und machten sich sofort auf den Rückweg nach Mataiea, das Holz auf ihren Schultern tragend. Sie kamen in der Abenddämmerung ins Dorf. Teha’amana schlief schon. Am nächsten Morgen schenkte Paul Jotefa eine seiner kleinen Götzenfiguren. Der Junge wollte sie nicht annehmen, als würde er seine großzügige Geste,

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