Das Paradies ist anderswo
in der Welt der Seefahrt, eine Taufe, der sich niemand entziehen könne und die deshalb nicht schimpflich sei, sondern vielmehr Brüderlichkeit unter der Besatzung schaffe. Paul dagegen konnte sich entziehen; dazu mußte er diesen durch den Frauenmangel gereizten Seebären beweisen, daß, wer Eugène-Henri Paul Gauguin flachlegen wollte, bereit sein mußte, zu töten oder zu sterben. Seine große Körperkraft und vor allem seine Entschlossenheit und Wildheit schützten ihn. Als er am 23. April 1871, nachdem er auf der Jerôme-Napoléon seinen Militärdienst geleistet hatte, entlassen wurde, war er so intakt wie sechs Jahre zuvor, zu Beginn seiner Laufbahn als Seemann, der er nun ein Ende setzte. Wie hätten deine Gefährten der Luzitano , der Chili und der Jerôme-Napoléon über dich gelacht, wenn sie dich im Fluß dieses Waldes,in vorgerücktem Alter, als taata vahine eines Maori gesehen hätten!
Sexualität hatte in der Phase seines Lebens, in der sie für die meisten Sterblichen gewöhnlich wichtig ist, in der Jugend, der Zeit der Eifersucht und des Fiebers, keine wichtige Rolle gespielt. In den sechs Jahren als Seemann hatte er die Bordelle in jedem Hafen – in Rio de Janeiro, Valparaíso, Neapel, Triest, Venedig, Kopenhagen, Bergen und anderen, an die er sich kaum erinnern konnte – vor allem deshalb besucht, um nicht hinter seinen Gefährten zurückzustehen und als anormal zu gelten, weniger aus Lust an der Sache. Es fiel dir schwer, sie in diesen schäbigen, übelriechenden, mit Betrunkenen überfüllten Spelunken zu empfinden, wo du es mit abgewrackten Frauen triebst, von denen manche zahnlos waren und schlaffe Brüste hatten und gähnten oder einschliefen, während du sie bestiegst. Es waren mehrere Gläser Branntwein nötig, um diese tristen, raschen Akte zu vollziehen, die einen bitteren Geschmack in deinem Mund hinterließen, eine finstere Melancholie. Dann war es doch besser, nachts, von den Wellen gewiegt, auf der Matratze zu masturbieren.
Weder als Seemann noch später, als er auf Empfehlung seines Vormundes Gustave Arosa als Börsenmakler im Büro von Paul Bertin in der Rue Laffitte zu arbeiten begann, entschlossen, sich eine bürgerliche Zukunft an der Pariser Börse aufzubauen, hatte die Sexualität in Pauls Leben den obsessiven Stellenwert besessen, den sie gewinnen sollte, als er in einem Alter, in dem ein Mann sein Schicksal normalerweise besiegelt hat, sein Leben zu ändern begann und seine wohlhabende, disziplinierte, routinemäßige Existenz als guter Ehemann und guter Vater für die andere, ungewisse, abenteuerliche voller Armut und Träume eintauschte, die ihn hierher geführt hatte.
Die Sexualität wurde in dem Maße für ihn wichtig, wie die Malerei es wurde, die zunächst ein Zeitvertreib zu sein schien, dem er sich auf Drängen seines Freundes und Kollegen in der Agentur von Paul Bertin, Emile Schuffenecker,hingab, der ihm eines Tages ein Heft mit seinen Kohlezeichnungen und Aquarellen zeigte und ihm gestand, sein heimlicher Traum sei, Künstler zu werden. Der gute Schuff, der in seiner Freizeit nichts anderes tat als malen, wenn er nicht, wie Paul, auf der Jagd nach vermögenden Familien war, um sie dazu zu bringen, ihre Investitionen an der Börse der Kompetenz Paul Bertins anzuvertrauen, ermutigte ihn, abends einen Zeichenkurs an der Akademie Colarossi zu besuchen. Er selbst tue es, und es sei äußerst vergnüglich, mehr, als Karten zu spielen oder die Abende auf den Caféterrassen der Place Clichy zu verbringen, endlos lange an einem Gläschen Anis zu nippen und mit Hypothesen über das Auf und Ab der Kurse zu jonglieren. So hatte das Abenteuer begonnen, das dich jetzt in Tahiti festhielt, Koke. Zum Guten? Zum Schlechten? Oft, in Zeiten des Hungers, der Verlassenheit, wie in jenen Tagen in Paris, in denen du dich um den kleinen Clovis kümmern mußtest, wenn du dich fragtest, wie lange du noch ohne festes Obdach leben und in den Hospizen der Nonnen um einen Teller Suppe betteln müßtest, hattest du den guten Schuff für diesen Rat verflucht und dir vorgestellt, wie gut es dir ginge, was für ein schönes Haus in Neuilly, in Saint-Germain, in Vincennes du hättest, wenn du weiter als Finanzberater an der Pariser Börse gearbeitet hättest. Vielleicht wärst du schon so reich wie Gustave Arosa und wie dein Vormund imstande, eine prachtvolle Sammlung moderner Malerei zu erwerben.
Zu jener Zeit hatte er schon Mette Gad, die Wikingerin, kennengelernt, eine hochgewachsene Dänin
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