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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Freund Ambroise Vollard.«
    Paul hatte sie kaum erblickt und sich noch immer nicht ganz von der Verwirrung erholt, in die ihn der junge Galerist mit diesem Geschenk stürzte, als er auch schon Lust verspürte zu malen. Es war das erste Mal, daß ihm das passierte, seitdem er am 30. August, nach der unglückseligen dreimonatigen Rückreise von Tahiti, in Frankreich eingetroffen war. Seit diesem Tag war sein Leben ein einziges Desaster gewesen. Er war mit nur vier Francs in der Tasche in Marseille von Bord gegangen und halbtot vor Hunger und Verzweiflung in einem glühendheißen und von seinen Freunden verlassenen Paris gelandet. In den zwei Jahren, die er in Polynesien verbracht hatte, war die Stadt ihm fremd und feindselig geworden. Die Ausstellung seiner zweiundvierzig »tahitianischen Bilder« in der Galerie von Paul Durand-Ruel bald nach seiner Ankunft war zum Fiasko geraten. Er hatte nur elf davon verkauft, was nicht einmal seine Ausgaben für Rahmen, Plakate und Werbung deckte, so daß er sich wieder einmal verschulden mußte. Trotz einiger positiver Kritiken fühlte er seit jenen Tagen, daß das künstlerische Milieu in Paris ihn ignorierte oder mit herablassender Geringschätzung behandelte.
    Nichts hatte dich bei der Ausstellung so sehr deprimiert wie die schonungslose Art, mit der dein alter Meister und Freund Camille Pissarro deine Theorien und die Bilder aus Tahiti in Bausch und Bogen abgeurteilt hatte: »Das ist nicht Ihre Kunst, Paul. Werden Sie wieder, der Sie waren. Sie sind ein zivilisierter Mensch, und Ihre Pflicht ist es, harmonische Dinge zu malen, nicht, die barbarische Kunst der Kannibalen zu imitieren. Hören Sie auf mich. Kehren Sie um, plündern Sie nicht länger die Wilden in Ozeanien aus, seien Sie wieder Sie selbst.« Du hattest ihm nicht widersprochen und dich darauf beschränkt, dich mit einer Verbeugung von ihm zu verabschieden. Nicht einmal die freundschaftliche Geste von Degas, der dir zwei Bilder abkaufte, konnte deine Stimmung heben. Pissarros strenge Ansichten wurden von vielen Künstlern, Kritikern und Sammlern geteilt: Was du in der Südsee gemalt hattest, war eine Imitation des Aberglaubens und der Götzenverehrung primitiver Wesen, Lichtjahre entfernt von der Zivilisation. Das sollte Kunst sein? Eine Rückkehr zu den Kritzeleien, ungestalten Figuren und magischen Beschwörungen der Höhlen? Doch die Ablehnung richtete sich nicht nur gegen die neuen Themen und Techniken deiner Malerei, die du dir in den zwei letzten Jahren in Tahiti unter so vielen Opfern angeeignet hattest. Sie richtete sich auch, dumpf, trübe, unausgesprochen, gegen deine Person. Was war der Grund? Kein Geringerer als der verrückte Holländer. Seit der Tragödie in Arles, seit seinem Aufenthalt im Irrenhaus in Saint-Rémy und seinem Selbstmord und vor allem seit dem Tod seines Bruders Theo van Gogh, der ebenfalls durch eigene Hand gestorben war, hatten Vincents Bilder (die zu seinen Lebzeiten niemanden interessierten) allmählich von sich reden gemacht, sich verkauft, waren im Preis gestiegen. Eine morbide van-Gogh-Mode war im Entstehen, und mit ihr begann die gesamte Kunstwelt dir rückwirkend vorzuwerfen, du seist unfähig gewesen, den Holländer zu verstehen und ihm zu helfen. Dummes Pack! Manche behaupteten gar, du seist mit deinersprichwörtlichen Taktlosigkeit womöglich schuld an der Verstümmelung in Arles. Du brauchtest ihre Worte nicht zu verstehen, um zu wissen, daß man in den Galerien, in den Cafés, in den Salons, bei Festen, bei gesellschaftlichen Anlässen, in den Ateliers der Künstler hinter vorgehaltener Hand solche und schlimmere Dinge von dir behauptete und mit dem Finger auf dich zeigte. Die Niederträchtigkeiten fanden ihren Weg in die Zeitschriften und Zeitungen, verzerrt, wie die Pariser Presse das aktuelle Geschehen gewöhnlich widerspiegelte. Nicht einmal der rettende Tod deines Onkels Zizi, der als achtzigjähriger Junggeselle in Orléans gestorben war und dir ein paar tausend Francs hinterlassen hatte, die dir eine Zeitlang aus der Misere und den Schulden halfen, brachte dir den Lebensmut zurück. Wie lange würde dieser Zustand noch dauern, Paul?
    Bis zu jenem Morgen, an dem Annah die Javanerin mit dem pittoresken Schild um den Hals und Taoa, ihrem quirligen Äffchen mit den sarkastischen Augen, das sie an einem Lederband führte, sich wiegend wie eine Palme bei ihm Einzug hielt, um diese lichte, exotische Enklave mit ihm zu teilen, in die Paul das Atelier verwandelt hatte, das

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