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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Korps des Phalanstère er angehören wollte, und konnte es nach seinem Gutdünken verlassen – , erschien Flora dieses System ungebührlich und ließ sie fürchten, daß in seinem Schutz neue Ungerechtigkeiten gedeihen könnten. In ihrem Entwurf einer Arbeiterunion gab es keine sexuellen Rezepte; abgesehen von der absoluten Gleichheit von Mann und Frau und dem Recht auf Scheidung wurde das Thema der Sexualität ausgespart.
    Was sie an Fouriers Lehre am meisten erschreckte, war seine Behauptung: »In Sachen Liebe ist jede Phantasie gut.« Und: »Alle haben recht in ihrem Liebeswahn, denn die Liebe ist im wesentlichen die Leidenschaft der Unvernunft.« Ihr wurde schwindlig bei seiner Verteidigung der »edlen Orgie«, der kollektiven Paarungen und bei der Aussicht,daß in der künftigen Gesellschaft minoritäre Vorlieben – er nannte sie unisexuell –, wie sadistische und fetischistische Neigungen, nicht unterdrückt, sondern gefördert würden, damit jeder den für ihn geeigneten Partner finden und mit seiner Schwäche oder seiner Laune glücklich werden könnte. Allerdings ohne dem Mitmenschen Schaden zuzufügen, denn alles wäre frei gewählt und frei gewährt. Diese Ideen Fouriers empörten sie so sehr, daß sie heimlich dem Reformator Proudhon recht gab, einem Puritaner, der unlängst, 1842, in seiner Warnung an die Besit zenden die Phalanstère-Anhänger der »Sittenlosigkeit und Päderastie« beschuldigt hatte. Der Skandal hatte Victor Considérant veranlaßt, die Theorien des Gründers zur Sexualität in der letzten Zeit etwas abzuschwächen.
    Obwohl Flora Charles Fouriers revolutionäre Kühnheit anerkannte und bewunderte, schüchterte seine grenzenlose Toleranz in sexuellen Dingen sie ein. Mitunter amüsierten seine Ideen sie auch. Sie und Olympe hatten eines Nachmittags, bei einem Liebesrendezvous, Tränen geweint vor Lachen, als sie sich an das Geständnis des Meisters erinnerten, der erklärt hatte, er habe einen »unwiderstehlichen Hang zu Lesbierinnen« und könne aufgrund von Berechnungen und Nachforschungen behaupten, daß es in der Welt sechsundzwanzigtausend Gleichgesinnte gebe, mit denen sich eine Gruppierung oder ein »Korps« in der künftigen Gesellschaft der Harmonie bilden lasse, worin er mit seinen Bundegenossen ungehemmt und ohne Scham das Schauspiel sapphischer Liebe genießen könne. Die Lesbierinnen, die sich vor den glücklichen Voyeuren zur Schau stellen würden, täten dies aus freier Entscheidung und weil sie damit ihrer exhibitionistischen Neigung frönen könnten. »Sollen wir ihn einladen, meine Königin?« sagte Olympe lachend.
    Charles Fouriers Klassifizierungswahn verdiente jetzt deinen Spott, Florita, aber vor zehn Jahren, bei deiner Rückkehr aus Peru, war deine Freude groß gewesen, als du diese Lehre entdecktest, die sich der rechtlosen Lage derFrau und des Arbeiters annahm und sie durch die neue Gesellschaftsordnung der Phalanstères abschaffen wollte. Die Menschheit hatte die ersten Etappen, Wildheit, Barbarei, Zivilisation, hinter sich gelassen und würde jetzt dank der neuen Ideen bald in die letzte eintreten: die Harmonie. Das Phalanstère mit seinen jeweils vierköpfigen vierhundert Familien würde eine vollkommene Gesellschaft bilden, ein kleines Paradies, in dem sämtliche Quellen des Unglücks beseitigt wären. Die Justiz war nutzlos, es sei denn, sie bewirkte das Glück der Menschen. Der Meister Fourier hatte alles vorausgesehen und vorgeschrieben. In jedem Phalanstère würden die langweiligen, stupiden und aufwendigen Arbeiten am besten bezahlt, um so schlechter die amüsantesten und kreativsten, denn letztere stellten ein Vergnügen an sich dar. Daher würden ein Kohlenbrenner oder ein Klempner besser bezahlt werden als ein Arzt oder ein Ingenieur. Jeder Mangel, jedes Laster würden im Sinne der Gesellschaft genutzt. Da Kinder sich gern schmutzig machten, würden sie in den Phalanstères die Müllabfuhr übernehmen. Das erschien Flora am Anfang als Gipfel der Weisheit. Wie auch Fouriers Formel, um zu verhindern, daß Männer und Frauen durch die stets gleiche Tätigkeit abstumpften: sie sollten rotieren, bisweilen an ein und demselben Tag, damit sie nicht von der Routine zermürbt wurden. Vom Gärtner zum Lehrer, vom Maurer zum Anwalt, von der Wäscherin zur Schauspielerin: nie würde sich jemand langweilen.
    Dennoch gab es viele kategorische Behauptungen des freundlichen, mitfühlenden Fourier, die sie am Ende beunruhigten. Zu erklären: »Ich habe weiter

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