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Das Paradies ist anderswo

Das Paradies ist anderswo

Titel: Das Paradies ist anderswo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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hilfsbereit und liebenswürdig. Alle auf dem Schiff, vom Kapitän bis zum Schiffsjungen, von den peruanischen Passagieren bis zum provenzalischen Koch, bemühten sich nach Kräften, dir die Überfahrt trotz der qualvollen Seekrankheit so angenehm wie möglich zu machen.
    Doch nichts auf dieser Reise kam so, wie du erwartet hattest, Florita. Aber du bereutest nicht, sie gemacht zu haben, im Gegenteil. Was du jetzt warst, eine Kämpferin für das Wohlergehen der Menschheit, warst du dank dieser Erfahrung. Sie öffnete dir die Augen über eine Welt, deren Grausamkeit und Schlechtigkeit, deren Elend und Schmerz unendlich viel schlimmer waren, als du dir je hättest vorstellen können. Du, die aufgrund ihrer kleinen ehelichen Miseren geglaubt hatte, den tiefsten Grund des Unglücks erreicht zu haben.
    Nach fünfundzwanzig Tagen suchte die Méxicain in derBucht von Praia Schutz, auf der Hauptinsel der Kapverden, weil der Kielraum abgedichtet werden mußte, durch den an mehreren Stellen Wasser eindrang. Und dir, Florita, die du so froh gewesen warst, als du erfuhrst, daß du einige Tage auf dem Festland verbringen durftest, ohne daß sich alles unter deinen Füßen bewegte, erging es in Praia noch schlimmer als mit der Seekrankheit. In dieser Ortschaft mit viertausend Einwohnern sahst du das wahre, schreckliche, unbeschreibliche Gesicht einer Institution, die du nur vom Hörensagen kanntest: das Gesicht der Sklaverei. Nie würdest du das Bild vergessen, mit dem dich der kleine Platz in Praia empfing, auf den die Neuankömmlinge gelangten, nachdem sie ein Stück schwarzes, felsiges Land durchquert und die hohe Klippe erstiegen hatten, an deren Rand sich die Stadt ausbreitete: Unter einer glühenden Sonne, inmitten von Fliegenschwärmen, peitschten zwei schweißbedeckte Soldaten laut fluchend zwei nackte, an einen Pfosten gefesselte Neger aus. Die beiden blutüberströmten Rücken und die Schreie der Ausgepeitschten ließen dich wie angewurzelt stehenbleiben. Du griffst nach dem Arm von Alfred David:
    »Was tun die da?«
    »Sie peitschen zwei Sklaven aus, die wahrscheinlich gestohlen oder was Schlimmeres getan haben«, erklärte ihr der Reeder mit einem Ausdruck von Verdruß. »Die Besitzer legen die Strafe fest und geben den Soldaten ein Extrageld für ihre Vollstreckung. Schrecklich, bei dieser Hitze Peitschenhiebe austeilen zu müssen. Arme Sklavenhändler!«
    Alle Weißen und Mestizen in Praia verdienten sich den Lebensunterhalt, indem sie Sklaven jagten, kauften und verkauften. Der Sklavenhandel war das einzige Gewerbe dieser portugiesischen Kolonie, wo alles, was Flora sah und hörte, und alle Leute, denen sie in den zehn Tagen begegnete, die das Abdichten der Kielräume der Méxicain in Anspruch nahm, ihr Erbarmen, Entsetzen, Zorn, Abscheu einflößten. Nie würdest du die Witwe Watrin vergessen,eine hochgewachsene, beleibte, michkaffeefarbene Matrone, deren Haus vollgestopft war mit Stichen ihres bewunderten Napoleon und der Generäle des Kaiserreichs; nachdem sie dich mit einer Tasse Schokolade und Gebäck bewirtet hatte, zeigte sie dir stolz den originellsten Schmuck ihres Wohnzimmers: zwei schwarze Föten, die in mit Formol gefüllten Glasbehältern schwammen.
    Der größte Grundbesitzer der Insel war ein Franzose aus Bayonne, Monsieur Tappe, ein ehemaliger Seminarist, den sein Orden ausgesandt hatte, damit er sich in den afrikanischen Missionen apostolisch betätigte, und der desertiert war, um sich einer weniger spirituellen und einträglicheren Aufgabe, dem Negerhandel, zu widmen. Er war ein feister, rotgesichtiger Mann in den Fünfzigern, mit Stiernacken, geschwollenen Adern und begehrlichen Augen, die sich derart schamlos auf Floras Hals und Brüste hefteten, daß sie kurz davor war, ihn zu ohrfeigen. Aber sie tat es nicht, sondern hörte gebannt zu, wie er gegen die verfluchten Engländer wetterte, die im Begriff seien, mit ihren dämlichen puritanischen Vorurteilen gegenüber dem Sklavenhandel »das Geschäft kaputtzumachen« und die Händler in den Ruin zu treiben. Tappe kam zum Essen auf das Schiff und brachte ihnen als Geschenk Konservendosen und Wein in Krügen mit. Flora fühlte Übelkeit aufsteigen, als sie sah, mit welcher Gefräßigkeit sich der Sklavenhändler über die Hammelbeine und das gebratene Rindfleisch hermachte, zu denen er große Schlucke Wein trank, auf die er Rülpser folgen ließ. Er habe derzeit achtundzwanzig Neger, achtundzwanzig Negerinnen und siebenunddreißig kleine Negerlein,

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