Das Paradies
Sache ist bereits geklärt.«
Khadija erwiderte ruhig: »Das ist sie nicht. Ich muß dir etwas sagen, mein Sohn, das mir großen Kummer bereitet. Ich habe es all die Jahre als ein Geheimnis bewahrt, um dir noch mehr Leid zu ersparen. Aber mein Gewissen, das nur auf Gott hört, zwingt mich nun zu sprechen.« Sie holte tief Luft. »Sohn meines Herzens, ich liebe dich mehr als mein Leben, und ich sage dir, du hast keine Verpflichtung gegenüber Hassan al-Sabir. Er ist nicht dein Freund und nicht dein Bruder.«
»Was sagst du da?«
Khadijas Herz schlug heftig. Wenn die Worte einmal ausgesprochen waren, konnte sie nichts mehr rückgängig machen. »Hassan hat deine Verhaftung in die Wege geleitet und dafür gesorgt, daß du ins Gefängnis gekommen bist.«
Er starrte sie an. »Das glaube ich nicht.«
»Bei Gottes Barmherzigkeit, es ist die Wahrheit.«
»Das kann nicht sein.«
»Ich schwöre es bei dem allmächtigen und einzigen Gott, Ibrahim.«
»Woher weißt du das mit Hassan? Jemand hat dich belogen!«
Khadija dachte an das Versprechen, das sie Safeja Rageeb gegeben hatte. »Ich weiß es. Das genügt. Es steht in deiner Akte. Hassan al-Sabir hat dich als einen Verräter am ägyptischen Volk bezeichnet. Er hat sich freigekauft, und darauf beruht sein hohes Ansehen heute. Er hat sich skrupellos auf die Seite der Revolutionäre geschlagen. Wenn du willst, kannst du dir ja Einblick in deine Akte verschaffen.«
»Ich werde Hassan fragen.«
»Frag ihn, und wenn er Gott fürchtet, dann wird er dir die Wahrheit sagen.«
Amira und Tahia versuchten, nicht zu kichern, während sie sich mit Jasmina hinter leeren Kisten mit dem Aufdruck
Chivas Regal
oder
Johnny Walker
versteckten. Sie warteten am Lieferanteneingang des Cage d’Or auf das mit Zacharias verabredete Zeichen. Er war im Club, um alles vorzubereiten. Jasmina zitterte trotz der Juniwärme unter ihrem Mantel, denn es dauerte zu lange. Etwas mußte schiefgegangen sein.
Sie hatte versucht, Dahiba in ihrer Wohnung aufzusuchen, aber es war ihr nicht gelungen. Als der Portier sie nicht in das Haus lassen wollte, mußte Jasmina ihn bestechen. Dann wollte der Liftboy sie nicht zum Penthaus bringen, also bedeutete das noch mehr Bakschisch. Die zwei Leibwächter, die vor der Wohnungstür Karten spielten, wollten ebenfalls Geld. Als Jasmina schließlich an die Tür klopfte und vor einem Butler stand, hatte sie keinen Piaster mehr. Das hätte auch nichts genützt. Der Butler holte Dahibas Sekretärin, die Jasmina mitteilte, Madame empfange keine Besucher. Am Tanz von Amateuren habe sie kein Interesse, und sie nehme unter keinen Umständen Schülerinnen an. Deshalb hatte Zacharias sich einen Plan ausgedacht. Er sagte Khadija, er werde mit seinen Geschwistern ins Varieté gehen, um ihnen Dahibas Tanzshow zu zeigen, von der man in ganz Kairo sprach. Während Umma und die anderen im Salon saßen und Radio hörten, verließen die drei das Haus und fuhren zu dem Nightclub, in dem Dahiba auftrat.
»Armer Zakki«, sagte Tahia und ließ die Tür zur Küche des Clubs nicht aus den Augen, »er belügt Umma sonst nie.«
»Er hat nicht gelogen«, erinnerte sie Amira, »Zakki hat nur gesagt, daß er mit uns zu dieser Show geht. Und das hat er getan. He, Jasmina, er kommt!«
Zacharias erschien neben den Holzkisten und flüsterte: »Es ist alles klar! Hinter der Tür wartet eine Frau. Es ist die Toilettenfrau. Sie wird dich durch die Küche führen und dann hinter die Bühne zu einer Stelle, wo dich niemand sieht. Weiß Gott, das hat mich eine Menge gekostet.«
Die beiden umarmten und küßten Jasmina und wünschten ihr Glück. Dann eilte sie hinein; sie achtete sorgsam darauf, daß ihr Kostüm unter dem Mantel nicht zu sehen war.
Die Toilettenfrau brachte Jasmina hinter den Vorhang und ermahnte sie eindringlich, sich während der Show nicht von der Stelle zu rühren. Zacharias hatte ihr gesagt, seine Schwester wollte unbedingt Dahiba tanzen sehen. Als Jasmina verstohlen einen Blick auf die Zuschauer warf, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Der Nightclub war bis zum letzten Platz mit Frauen in eleganten Abendkleidern und Männern besetzt, an deren Uniformen Orden funkelten. Sie erstarrte beim Anblick eines kleinen, gedrungenen Mannes, der an einem der Tische direkt an der Bühne saß. Das war Hakim Raouf, der berühmte Filmregisseur und Dahibas Ehemarin.
Die Mitglieder der Band nahmen ihre Plätze ein, das Licht im Club wurde abgedunkelt, und die Scheinwerfer strahlten die leere
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