Das peinlichste Jahr meines Lebens
schwimmen gegangen. Ich habe ständig versucht, an Dave ranzukommen, mit ihm zu reden, etwas über den Nudismus zu erfahren, aber ich hab’s nie fertiggebracht ihn …
danach
zu fragen. Ich meine, was sollte ich denn sagen? ›Hallo. Können Sie sich noch vom Nudistenstrand an mich erinnern? Ich bin die Frau, die über den Zaun gestarrt hat.‹ Dann hätte er vielleicht gedacht, dass ich ihm nachstelle. Wenn es einem nicht gelingt, so was bei einer der ersten Gelegenheiten auszusprechen, hat man die Chance endgültig verpasst. Ach, die vielen Stunden, in denen ich auf der Galerie überlegt habe, was ich ihm sagen könnte.«
»Dann
hast
du also auf ihn gestanden.«
Mum wirkte ernsthaft gekränkt. »Nein, überhaupt nicht! Ich bin mit deinem Vater verheiratet, Michael. Aber ich war von ihm
fasziniert
. Woher nahm er den Mut, so was zu tun? Damals haben dein Vater und ich es einmal pro Woche zu Hause ausprobiert. Immer samstags, weil du da nicht hier warst. Daraus wurde wohl eine feste Gewohnheit.«
»Aber Dad wollte es nicht.«
»Nein«, sagte sie mit einem Schulterzucken, »aber er hat es mir zuliebe getan. So haben wir jahrelang weitergemacht. Nach dem Tag, an dem du uns hier ertappt hast, hatte ich das Gefühl, als wäre eine Last von mir genommen. Endlich war alles heraus. Mein Verlangen nach Freiheit wurde wieder entzündet. Aber diesmal war ich entschlossen, die Gelegenheit zu ergreifen. Ich fand heraus, dass Dave an einem Kunstkurs teilnahm, und das war meine Chance. Ich erklärte mich sofort bereit, mit deinem Vater Modell zu stehen. Danach geriet das Ganze einfach außer Kontrolle.«
»Aber
warum
hast du dich so an Daves Fersen geheftet?«
»Ach, Michael. Ich wollte sein Geheimnis ergründen. Wie hatte er es damals geschafft, sich so frei zu fühlen? Das Witzige ist, dass er die ganze Nacktsache kurz nach diesem Urlaub aufgegeben hat, um sich auf Lucys Schwimmen zu konzentrieren. Er ist nicht mal mehr Nudist.«
»Und warum hat er euch dann geholfen?«
»Ach, keine Ahnung. Ich glaube, die Planung von Operation Feigenblatt hat ihn an seine Militärzeit erinnert. Weißt du, deshalb wird er wahrscheinlich auch so wütend. Ohne Leute, die er anbrüllen oder auf die er schießen kann, fühlt er sich verunsichert. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass die ganze Sache aus dem Ruder lief. Und er dachte, dass das Ganze Zeitverschwendung war und er mit Lucy hätte trainieren können. Das Ganze tut mir wirklich leid, Michael.«
Ich ging kopfschüttelnd nach oben. Ich glaube nicht, dass ich schon bereit bin, ihr zu verzeihen.
Danach
Das Gespräch fand heute Nachmittag statt. Jetzt liege ich im Bett. Ich fühle mich kein bisschen anders als vorher. Chas hat gesagt, dass ich mein Problem angehen muss. Ich dachte, das hätte ich getan, aber ich fühle mich immer noch unwohl. Ich meine, ich habe mir zur Probe das Bild eines Esels im Internet angesehen. Ich dachte, ich bekomme einen Herzinfarkt. Allein der Gedanke an alles, was mit meinen Eltern abgelaufen ist, jagt mir Schauer über den Rücken, und ich mache mir auch immer noch Sorgen um Lucy. Seit dem Fackelumzug habe ich sie kaum gesehen.
Morgen findet meine letzte Sitzung mit Chas statt. Hoffentlich kann er das in Ordnung bringen.
Geplauder mit Chas
Abschrift der 12 . Sitzung
Ort wie in der 3 . Sitzung
Anwesende Personen wie in der 3 . Sitzung plus Lucy King (nachstehend » LK «)
Chas: Hallo, Michael.
[Fünfsekündige Pause]
Michael, ich glaube, Lucy kennst du schon.
MS : Ja.
LK : Ich dachte, um zwei wären Sie mit
mir
verabredet. Hab ich mich da geirrt?
Chas: Ganz und gar nicht, Lucy. Ich hatte in den letzten Wochen auch Sitzungen mit Michael.
LK : Die konnte er bestimmt gebrauchen.
MS : Auch? Sie meinen, Sie haben sich die ganze Zeit auch mit ihr getroffen?
Chas: Natürlich.
POM : Darum habe ich ihn gebeten.
Chas: Ja. Die schöne Miss O’Malley dachte, ihr könntet beide ein bisschen Hilfe dabei gebrauchen, wieder auf den richtigen Weg zu finden.
MS : Das hätten Sie mir aber sagen können.
Chas: Schon mal was von Vertraulichkeit gehört?
[Dreisekündige Pause]
LK : Und warum sind wir jetzt beide hier?
Chas: Ich habe euch beiden gesagt, das wäre die letzte Sitzung.
MS : Ja.
Chas: Und ich habe euch beiden gesagt, um euren Gefühlen auf den Grund zu gehen, müssten wir uns der Ursache für diese Gefühle stellen.
MS : Und …
Chas: Da wären wir. Michael, nach allem, was mir Lucy erzählt hat, war dein Bruder einer der
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