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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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kann, und erschlage dann vor seinen Augen das Inselmädchen? Sorge ich dafür, dass er sich eine Krankheit zuzieht, für die es keine Heilung gibt und die ihn ganz langsam zerstört? Begrabe ich ihn und das Mädchen bei lebendigem Leibe, ohne Essen oder Wasser und ohne Hoffnung auf Befreiung?
    Mit wachsendem Groll und zunehmendem Hass beobachtete Balám die vielen Menschen, die vertrauensvoll Chac folgten und ihm seine Gotteslästerungen nachsahen. Er hat seine Frau verloren, sagten sie. Er ist in den Wasserschacht geworfen worden, sagten sie. Armer Chac, sagten sie.
    Und wer nimmt Anteil an meinem Schicksal?, hätte Balám am liebsten aufgeschrien.
    Seine Verbitterung und sein Hass füllten nach und nach sein gesamtes Denken und Fühlen aus. Schaurige Visionen entstanden im Fieber, Ziyals Angstschreie gellten ihm im Ohr. Aber nur er allein wusste um die Qualen, die er ausstand, während er sich mit seiner Horde unternehmungslustiger junger Männer, die auf Abenteuer aus waren, durch den Dschungel kämpfte.
    Er hatte weder seine Vettern noch sonst jemanden ins Vertrauen gezogen. Keiner wusste um seine Rachepläne. Sie nahmen an – und das war ihm ganz recht –, dass er mit Chac reinen Tisch gemacht hatte.
    Hier in Tikal sollte er Genugtuung erfahren, beschloss er jetzt. Die Küste im Osten war nur wenige Tage entfernt. Das Inselmädchen fand bestimmt bald ihre blödsinnige Blume, und dann stünde es Chac frei, sich nach Teotihuacán aufzumachen. Balám würde ihnen einen Strich durch die Rechnung machen.
    Ein junger Mann kam atemlos angerannt und verkündete, dass die Stadt unmittelbar vor ihnen lag.
    Tikal war Balám ein Begriff. Da Yaxche auf den nach Minze schmeckenden chicle versessen gewesen war, der in dieser Gegend gewonnen wurde, erwartete er eine blühende und betriebsame Stadt, wenngleich eine kleinere als Mayapán und Uxmal. Als er jetzt mit seinen Leuten der Hauptstraße folgte, der entlang sich ein steinernes Gebäude ans andere reihte, musste er jedoch feststellen, dass die Metropole einstmals mächtiger gewesen war als Mayapán oder Chichén Itzá und auch in ihrer Ausdehnung um vieles größer war als seine Heimatstadt. Inzwischen bestand sie jedoch zur Hälfte aus Ruinen, und nur noch wenige Menschen lebten hier.
    Wie üblich entschied er sich für ein Lager im Regenwald, weitab von Chac. Während seine Gefolgsmänner das Essen zubereiteten und sich darauf einstellten, den Abend beim Glücksspiel zu verbringen und auf die Frauen zu warten, die sich immer einfanden – entweder aus Chacs Gruppe oder aus der Stadt oder von umliegenden Bauernhöfen, Frauen, die ihre Gunstbeweise gegen etwas zu essen oder Jade oder Kakao anboten –, hockte Balám am Feuer und rieb sich missmutig die Stelle auf seiner Wange, auf der die Spucke seiner Frau gelandet war. Wie heftig er auch daran herumrieb – der Speichel wollte nicht abgehen.
    Dass ein Preis auf seinen Kopf ausgesetzt war, hatte Balám nicht davon abhalten können, die Information zu streuen, dass er gegen Belohnung an Auskünften über ein bestimmtes Maya-Kind interessiert sei, das vom Sklavenmarkt von Mayapán stammte. Wo immer sie ihr Lager aufschlugen, in jeder Behausung – selbst bei einem Einsiedlermönch, der sich um den Schrein eines vergessenen Gottes entlang des Weges kümmerte – forschte Balám nach Ziyal, beschrieb, wie sie aussah und wann sie verkauft worden war und wies auf die Belohnung hin. Auf diese Weise, hoffte er, würde sich das ausgeworfene Netz bald so weit und breit erstrecken, dass irgendwo einer, der über Informationen verfügte, ihm diese zukommen lassen würde.
    Die Späher, die Balám und seine Mannen aus einem Versteck beobachtet hatten, traten jetzt schüchtern und scheu wie junge Tiere näher – gesunde junge Burschen mit gestählten Körpern und neugierigen Blicken. Wahrscheinlich waren es Bauern oder Holzarbeiter oder aber mit der Aufgabe betraut, Wasser aus Schächten zu schöpfen. Ihre Geschichten waren auf der gesamten Halbinsel immer gleich: Weil es keine Kriege mehr gab, nicht mehr gekämpft wurde und die Könige friedlich und fett geworden waren, blieb jungen Männern nichts anderes übrig, als in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten.
    Aber genau das wollten sie nicht.
    »Die Götter mögen Euch segnen«, hoben sie stockend an.
    »Euch ebenfalls«, murmelten Baláms Leute.
    Die jungen Männer traten einen Schritt näher, leckten sich beim Anblick des Kaninchens am Bratspieß die Lippen. Als einer von ihnen

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