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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Sehnen und Narben erinnerten sie an seinen Einsatz auf dem Spielfeld, an die Wendigkeit, seinen Gegnern zuvorzukommen und den Ball zum Siegespunkt einzulochen.
    Auch Chacs Gedanken kreisten um seine Begleiterin. Warum klimperte ihr Haar so aufreizend? Er wäre gern zügiger ausgeschritten, um sie weit hinter sich zu lassen, aber das gestatteten ihm die Götter nicht. Er sehnte sich nach seinen Mannschaftskameraden, nach Paluma. So allein zu sein behagte ihm nicht. Mittags, als er die Stille und Einsamkeit des Waldes nicht länger ertrug, schlug er unversehens die Richtung zur Weißen Straße ein.
    Tonina folgte ihm.
    Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie auf eine kleine Handelskarawane stießen, deren Anführer Chac erkannte. »Held der Dreizehn Spiele!«, rief er aus, und als man sich um Chac drängte, um sich in seiner Glücksaura zu sonnen, bereute dieser seine Unbesonnenheit.
    Sie schlugen sich weiter durch den Wald, bis sie bei Sonnenuntergang ihr Lager aufschlugen. Während Tonina einen geeigneten Baum für ihre hamac suchte, mühte sich Chac vergebens ab, ein Feuer in Gang zu bringen.
    Tonina trat mit ihrem Feueranzünder, zwei eigens ausgehöhlten Holzstücken – einem Drill und einem Klotz – zu ihm. Zunder lieferte ihr ein verlassener Termitenbau. Zum Auftakt spuckte sie in die Hände, zeigte Chac dann, wie er den Drill zu drehen hatte, nämlich schnell und mit Druck. Als die ersten Funken aufstoben und zu glimmen begannen, schüttete sie Zunderstücke von dem Termitenbau darüber, bis eine Flamme aufstieg und sich das Feuer entfaltete.
    Dann hockte sie sich an das Feuer und holte sich aus ihrem Reisesack etwas zu essen.
    Chac war verblüfft. Sie blieb bei ihm? Warum machte sie sich nicht irgendwo ein eigenes Feuer? Jetzt saß sie ihm gegenüber, löste die Schalen eines gekochten Puteneis ab und bestreute es mit Salz. Ohne eingeladen worden zu sein, bei ihm Platz zu nehmen.
    Wieder aßen sie, ohne ein Wort zu wechseln, wie zwei Fremde, denen nicht daran gelegen war, einander näher kennenzulernen.
    Es wurde immer dunkler, Schreie von Nachtvögeln klangen durch den Wald. Chac zog eine kleine Figur heraus, die Kukulcán darstellte, und dachte an Paluma. Vor seinem Aufbruch hatte er sich noch dem Kult des Wiederkehrenden Gottes angeschlossen, obwohl er, wenn er ehrlich war, nicht wirklich daran glaubte.
    Auch Tonina dachte an jemanden, der ihr fehlte: Tapferer Adler. Und zu ihrer eigenen Verwunderung ging ihr Einauge ebenfalls ab.
    Als Chac die Landkarte aus Borkenpapier herauszog, die er in Mayapán erworben hatte, setzte sich Tonina neben ihn, betrachtete die Linien und Symbole und sah fragend ihren Begleiter an. Chac war es unangenehm, sie so dicht neben sich zu spüren. Dieser leichte Kokosnussgeruch, der von der Farbe auf ihrem Gesicht und den Armen herrührte! Das war etwas, was Maya-Frauen nicht an sich hatten.
    Er deutete auf die Mitte des Blattes, sagte: »Mayapán.« Linien verliefen von dort aus, überall waren Zeichen und Symbole angebracht. Da Chac weder lesen noch schreiben konnte, hatte er sich merken müssen, was der Kartenzeichner unter Hindeutung auf Städte, Straßen und Gegenden erklärt hatte. Er wusste, welches Zeichen für Palenque stand, weil der Kartenzeichner gesagt hatte: »Hier ist Palenque.«
    Jetzt deutete Chac auf weitere Punkte auf der Karte und nannte Namen von Städten, die Tonina fremd waren: »Uxmal. Tikal. Copán. Palenque.« »Quatemalán?«, fragte sie.
    Er wies auf den Rand der Karte, aber da sie keine Ahnung vom Zusammenspiel von Entfernung und Maßstab hatte, sagte ihr das nichts. »Wo«, fragte sie, durch seine Nähe unvermittelt atemlos, »wo ist Teotihuacán?«
    Ein kummervoller Schatten verdunkelte seine Augen. Dann deutete er auf ein Zeichen am entgegengesetzten Rand von Quatemalán. Als Tonina sah, dass der Ort, den er erreichen musste, so weit von Quatemalán entfernt lag, regte sich ihr schlechtes Gewissen. Er sollte gen Norden gehen, um ein Begräbnisritual nach Maya-Art durchzuführen – sie dagegen musste nach Süden. Und die Götter hatten bestimmt, dass sie zusammenblieben.
    »Gut, dann gehen wir eben nach Teotihuacán«, hätte sie gern gesagt. Aber sie hätte ihm gern auch klargemacht, dass sie unbedingt die rote Blume finden und zu ihrem Volk bringen musste. Wenn doch nur Einauge da wäre und übersetzen könnte!
    Als Chac die Fragen und die Frustration in Toninas Augen sah, sprang er auf und stopfte die Karte wieder in seinen Reisesack. Die

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