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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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stellen würde, wurde ihr schwer ums Herz. »Wie du weißt, legen die heftigen Stürme zwischen der Winter- und der Sommersonnenwende eine Pause ein. In dieser Zeit musst du zurückkommen, Tonina. Wir werden also im Frühjahr, um das Fest der Tag- und Nachtgleiche, Ausschau nach dir halten.«
    Da die Wintersonnenwende bereits in einem Monat bevorstand, durfte Tonina keine Zeit verlieren. Sie umfasste die Hände der Großmutter. »Ich werde zu den Geistern meiner Delphine beten und ihren Beistand erflehen«, sagte sie entschlossen. »Und ich verspreche dir, dass ich mit der heilkräftigen Blume zurückkomme.«
    »Bruder!« Awak stürzte zum Lager in der kleinen Bucht und weckte die Freunde auf. »Es hat sich etwas ereignet!«
    Sich die Augen reibend, lauschten sie seinem Bericht über Toninas Auftrag. »Sie versammeln sich bereits an der Lagune, das große Kanu legt bald ab.«
    Macu begriff sofort, welch günstige Gelegenheit sich ihm da bot. Er würde allen zeigen, wer der Größte war. Er würde derjenige sein, der mit der Wunderblume zurückkam. Dann wäre die Demütigung in der Lagune vergessen.
    Auch Tonina würde man vergessen, da sie niemals zurückkehren würde.

4
    Bei Tagesanbruch versammelten sich alle Dorfbewohner, um ein Ereignis mitzuerleben, das noch Generationen später in aller Munde sein würde. Die zwanzig Mann, die als Besatzung für das große Kanu ausgewählt worden waren, fieberten dem Abenteuer entgegen, schon weil ihr Ziel nicht irgendeine Insel war, sondern das gefürchtete unbekannte Festland!
    Als Huracan vor einundzwanzig Jahren Tonina aus dem Wasser gefischt hatte, war er zu dem Schluss gelangt, dass der kleine Korb an der südlichen Küste des Festlands, möglicherweise von einem Gebiet aus, das Quatemalán genannt wurde, zu Wasser gelassen worden war. Von dort, so seine Überlegung, musste Tonina stammen, und demnach würde sie dort auch das Volk wiederfinden, zu dem sie gehörte. Deshalb hatten er und Guama behauptet, dass dort die gesuchte Blume wachse.
    Im Dämmerlicht des anbrechenden Tages, während Frauen das große, aus einem Baumstamm gehöhlte Kanu mit Vorräten beluden, schaute Guama auf das Mädchen. Ihr ganzes Leben, so sagte sich die Alte, hatte sich Tonina immer in der Nähe des Wassers aufgehalten. Das Meer war ihr Element. Wie sollte sie in einem Land überleben, das unendlich war?
    Huracan schien es, als wirke seine Enkelin, die da inmitten der Inselbewohner stand, schon wie eine Fremde. Als hätte die Verwandlung bereits begonnen.
    Der Grund dafür war ihre Kleidung.
    Huracan waren die Geschichten eines Taino-Händlers eingefallen, der regelmäßig auf die Perleninsel kam und Baumwolle gegen Perlen eintauschte. »Auf dem Festland«, hatte er gesagt, »tragen sie jede Menge Kleider, vor allem die Frauen. Nackte Brüste sind tabu.«
    Diese Bemerkung hatte Huracan zu schaffen gemacht – Tonina musste unbedingt so gekleidet sein, wie es sich in der Fremde gehörte. Guama hatte also aus zwei hamacs einen weiten Kittel zugeschnitten und zusammengenäht, der zur Hälfte über einen Rock reichte.
    Während das Kanu mit gesalzenem und getrocknetem Fisch beladen wurde, mit zerstampftem Schildkrötenfleisch und harten Maniokfladen, dachte Huracan voller Sorge an all die unbekannten Gefahren, vor denen er Tonina nicht schützen konnte. Wenigstens sollten sich die Bootsleute für den Fall vorbereiten, dass sie sich verteidigen mussten. Da die Männer auf der Perleninsel keine Krieger waren und sich deshalb ihre Waffen auf einfache Holzspeere und Steinmesser beschränkten, bestand Huracan darauf, dass sie zusätzlich Knüppel sowie Pfeile und Bogen mitnahmen.
    Und dann wurde es Zeit, aufzubrechen. Guama betete singend zu Lokono, malte Tonina beschützende Symbole auf Gesicht und Arme und gab ihr den durchsichtigen, aus einem harten Material gefertigten Becher.
    Als sie Toninas Finger um das kühle Trinkgefäß schloss, spürte sie die eigenartige Kraft, die von dem Becher ausging. Was sie nicht ahnen konnte, war, dass in dem Land, aus dem der Becher stammte, dieser heutige Tag, an dem Tonina die Perleninsel verließ, einer von vielen im Jahre des Herrn 1323 war. Ebenso wenig wusste sie, dass in jenem Land auf der anderen Seite des östlichen Meers bleichgesichtige Männer ihre Körper in Kettenhemd und Rüstung zwängten und die Frauen in enge Mieder und prächtige Kleider. Guama wusste auch nichts von Königen und Armeen, die mit Armbrust und Streitross in den Krieg zogen, und

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