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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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darüber einen am Hals zusammengeknoteten Umhang. Er hatte zwei Speere und einen Knüppel bei sich. Sein langes Haar war zu einem Jaguarschwanz gebunden, der ihm bis zu den Schulterblättern herabhing.
    Tonina runzelte die Stirn. Irgendwie kam ihr der Mann bekannt vor.
    »Prinz Balám!«, rief H'meen aus, die ihnen gefolgt war. Poki spürte, dass sich die Gefahr verzogen hatte, und kläffte nicht länger. Balám verneigte sich respektvoll. »Ich hielt Euch für Banditen.«
    Bei den wenigen Gelegenheiten, da Tonina Balám erlebt hatte – auf dem Marktplatz, im Großen Saal, auf dem Spielfeld –, war er prächtig gekleidet und mit Schmuck behängt gewesen oder aber er hatte seine Spielermontur getragen und sein gesamter Körper war rot bemalt gewesen. Ohne den Aufsatz, der seine Nasenflügel verbreiterte, ohne die vielen Ringe und Stecker und ohne Körperbemalung hatte sie ihn nicht erkannt.
    »Man hält Euch für tot, Prinz Balám«, sagte H’meen überrascht. »Seid Ihr ein Geist?«
    »Zu meiner Schande, Ehrenwerte H’meen, muss ich gestehen, dass ich noch am Leben bin.«
    Tonina verstand die Sprache der Maya bereits so gut, dass sie der Unterhaltung folgen konnte. »Bitte verratet keinem, dass ich hier bin«, bat Balám inständig. »Seit Tagen schon folge ich Euch heimlich. Ich hatte nicht damit gerechnet, entdeckt zu werden.«
    »Warum folgt Ihr uns? Warum schließt Ihr Euch nicht unserer Gruppe an?«
    »Wie Ihr sicherlich wisst, Ehrwürdige H’meen, bin ich in Ungnade gefallen. Die Götter haben mich verflucht. Ich möchte diesen ehrenwerten Menschen, die meinen Bruder Chac begleiten, kein Unglück bringen.«
    »Ihr müsst Chac wissen lassen, dass Ihr am Leben seid!«, entfuhr es Tonina.
    Er wandte sich ihr zu, und einen Moment schien es ihr, als ob sich sein Gesichtsausdruck verfinsterte. Dann hellten sich seine Züge wieder auf. »Gerade Chac darf nicht wissen, dass ich hier bin«, sagte er. »Er befindet sich auf einer heiligen Pilgerreise. Meine Gegenwart käme einer Entweihung gleich.«
    »Warum folgt Ihr uns denn dann?«, hakte H’meen im Tonfall einer alten Frau leise nach.
    »Ich bin erfüllt von ewiger Scham, Ehrenwürdige H’meen.« Er ließ den Kopf hängen. »Dennoch hoffe ich, mich in der Stadt der Götter davon befreien zu können. Ich bete darum, dass auch ich, wenn mein Bruder Teotihuacán erreicht, bei den heiligen Männern dort Gnade und Erlösung finde.«
    »Chac glaubt, Ihr seid tot«, sagte Tonina in holpriger Maya-Sprache. »Er trauert um Euch. Er würde sich freuen zu erfahren, dass Ihr am Leben seid.
    »Gewiss«, pflichtete H’meen ihr bei. »Bestimmt sehen die Götter Euch ins Herz und wissen, dass Ihr bereut.«
    »Ehrenwerteste«, sagte Balám mit gesenktem Kopf, »Chac scheint zu wissen, dass ich für den Tod seiner Frau verantwortlich bin, und deshalb steht zu befürchten, dass er mich umbringen will. Um sich zu rächen.«
    H’meen und Tonina starrten ihn entgeistert an. »Davon wissen wir nichts, Prinz Balám«, sagte H’meen. »Wir wissen nur, dass Chac sich Euer Unglück sehr zu Herzen nimmt. Er würde Euch niemals nach dem Leben trachten.«
    Aus halbgeschlossenen Augen sah er sie an, ein verschlagener Blick, den Tonina und H’meen fälschlicherweise als demütig deuteten. »Meint Ihr wirklich?«, fragte er.
    »Weshalb solltet Ihr für den Tod von Paluma verantwortlich sein?«, warf Tonina ein. »Das war doch ein Unfall.«
    Wieder huschte ein Schatten über sein Gesicht, ganz kurz nur. Balám verachtete dieses Geschöpf, das ihn da so ungeniert ansprach. Diese Wahrsagerin, die ihm Frau und Tochter geraubt hatte, würde er sich vorknöpfen, wenn er es für gegeben hielt und sie am wenigsten damit rechnete. »Es gibt etwas, was ich Chac persönlich mitteilen muss.«
    »Dann kommt mit uns mit«, forderte H’meen ihn auf.
    »Nein, nein. Ich kann mich nicht anderen zeigen. Bitte bringt Chac zu mir. Und sagt ihm, er soll allein kommen.«
    »Ich werde ihn holen«, erbot sich Tonina. Im selben Augenblick meinte sie wieder Einauges Stimme zu hören: »Wenn du dir Chac rasch vom Halse schaffen willst, Tonina, erweise ihm keine Gefälligkeiten mehr. Wenn du ihn dir noch mehr verpflichtest, wirst du ihn nie los.«
    Sie dachte kurz nach. Wenn ich Chac sage, dass Balám lebt, und dadurch sein Gewissen erleichtere, wird er sich mir noch mehr verpflichtet fühlen. Wenn ich ihm aber verschweige, dass Balám lebt, wird ihn weiterhin der Gedanke quälen, dass Balám seinetwegen den Tod

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