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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Tode bestraft. Wie in der Stadt gilt auch hier das Gesetz der Maya.«
    H’meen schrieb jedes seiner Worte mit, in ein eigenes Buch. Vor Einberufung der Versammlung hatte Chac die königliche Kräuterkundige ersucht, die Regeln, die er zu verkünden gedachte, niederzuschreiben, um sich bei der Durchsetzung auf sie berufen zu können. Mit gekreuzten Beinen saß sie auf dem Boden, tauchte den Pinsel immer wieder in Tusche, malte Zeichen und Symbole auf Borkenpapier.
    »Dies sind die Gesetze, an die sich alle zu halten haben«, schloss Chac und wartete, die einzelnen Gesichter musternd, ab, ob es zum Aufruhr kommen würde. Umso erstaunter war er, als niemand Missfallen äußerte oder sich beklagte oder ihn bedrohte; stattdessen nickte die Menge und murmelte beifällig. Er war über seine Grenzen hinausgegangen – mit Erfolg.
    Eine letzte Regel fügte er noch hinzu: »Ich bin nicht euer Anführer. Zu dem werdet ihr einen von euch bestimmen, einen Mann, der unbescholten und gerecht ist und dem ihr alle Probleme anvertrauen könnt. Und jetzt macht euch bereit zum Aufbruch.«
    Als Leben in die Menge kam und man diese neuen Vorkehrungen untereinander besprach, trat Tonina unauffällig an Chac heran. »Wenn ich es recht bedenke«, sagte sie, »sind diese Gesetze durchaus als Gegenleistung dafür anzusehen, dass ich dir das Leben gerettet habe.«
    Er schaute zu ihr hinunter. Am Morgen hatte sie ihr Gesicht neu bemalt. Abermals fragte er sich, wie sie wohl ohne diese weißen Symbole aussah. »Wie das?«
    »Du hast selbst gesagt, dass vor uns ein gefährliches Gebiet liegt. Wenn ich allein weitergezogen wäre, hätte ich umgebracht werden können. Das hast du dadurch, dass du mich letzte Nacht zurückgeholt hast, verhindert. Ich würde sagen, die Schulden sind beglichen.«
    Er überlegte kurz. »Die Götter lassen sich nicht so leicht zum Narren halten«, beschied er sie dann und ging.
    »Ein guter Rat von einem Freund.« Damit kam Einauge auf sie zu. Das Räumen seines kleinen Lagers und das Einpacken seines Proviants und seiner sonstigen Habe hatte er dem drallen Maya-Mädchen überlassen. »Wenn du dir Chac rasch vom Halse schaffen willst, Tonina, erweise ihm keine Gefälligkeiten mehr. Wenn du ihn dir noch mehr verpflichtest, wirst du ihn nie los.«

32
    H’meens fettes Hündchen Poki schnüffelte vergnügt im Unterholz herum, scheuchte Nagetiere und andere kleine Lebewesen auf, ohne zu ahnen, dass eine Speerspitze auf ihn gerichtet war.
    Balám grinste. Der Hund würde eine saftige Mahlzeit abgeben.
    Er hörte Stimmen. Sein Grinsen wurde noch breiter. Da waren das Inselmädchen und die königliche Kräuterfrau auf einem ihrer Streifzüge durch den Wald, derweil die Horde, die Chac begleitete, ein Lager für ein Mittagsessen und kurze Rast aufschlug.
    Als sie über die Weiße Straße zogen, war Balám, vom Wald verborgen, ihnen gefolgt und hatte auf eine Gelegenheit gewartet, seinen Racheplan in die Tat umzusetzen. Jetzt war das Inselmädchen allein, nur in Begleitung dieser merkwürdig kindlichen Alten und einem Bediensteten. Balám sah zum wolkenlosen Himmel empor. Es war kühl. Nach der Wintersonnenwende hatte die trockene Jahreszeit eingesetzt, man stieß kaum noch auf Wasser. Und bis nach Tikal waren es noch immer mehrere Tagesmärsche.
    Er blickte sich zu seiner eigenen kleinen Gefolgschaft um, die seit seinem Aufbruch von Uxmal ständig größer geworden war. Neben den vier Vettern, die sich ihm nur allzu gern angeschlossen hatten, waren weitere Abenteuerlustige dazugestoßen, alles junge Maya, denen der Sinn nicht nach Feldarbeit oder Holzschnitzen stand. Als sie erfahren hatten, dass Balám, der Held der Ballspiele und obendrein ein Prinz, etwas Besonderes vorhatte, vergaßen sie die vagen Gerüchte um seine Schande – wenn dem tatsächlich so war, hatte sich das im entfernten Mayapán zugetragen – und schlossen sich ihm an.
    Balám wandte sich wieder dem herumschnüffelnden kleinen Hund zu, der ihn noch nicht gewittert hatte, spähte durch die Bäume – da war sie ja, hoch gewachsen und schlank, das lockige lange Haar von Muscheln durchwoben, Arme und Gesicht weiß bemalt. Schön fand er sie nicht. Und er hasste sie.
    Jetzt, jubelte er rachelüstern. Jetzt war der Augenblick gekommen …

    »Warst du schon mal verliebt?«
    Tonina war über diese Frage derart verblüfft, dass sie beinahe die Blume fallen ließ, die sie eben begutachtet hatte. Dann aber lächelte sie H’meen an, deren seltsames Äußeres sie

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