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Das Perlenmaedchen

Das Perlenmaedchen

Titel: Das Perlenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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gesucht hat.
    Was also sollte sie tun? Chacs Kummer verscheuchen und ihn ihr gegenüber noch mehr verpflichten oder zulassen, dass er sich weiterhin quälte? »Ich werde ihn holen«, wiederholte sie.

    Wie immer hockte Chac am Rande des Lagers und starrte ins Leere. Nicht einmal eine Feuerstelle hatte er sich errichtet und auch niemandem gestattet, dies für ihn zu tun. Er aß nicht mehr.
    Tonina musste daran denken, was Guama zu sagen pflegte: »Zeit heilt alle Wunden.« Chacs Kummer indes schien immer größer zu werden. Er nahm nicht länger die Karte zur Hand, es schien ihm gleichgültig zu sein, welchen Weg sie einschlugen oder wie lange sie brauchten. Hatte er Teotihuacán vergessen?
    Sie ging leise auf ihn zu. »Herr«, sprach sie ihn an.
    Sein Kopf fuhr hoch. So hatte Tonina ihn noch nie genannt.
    »Herr«, wiederholte sie leise, »ich bringe Neuigkeiten.«
    Schweigend sah er sie aus verschleierten Augen an.
    »Prinz Balám lebt.«
    Chac blinzelte. Er runzelte die Stirn. »Was? Er lebt?«
    »Er hält sich hinter diesen Bäumen dort auf und möchte mit dir reden … «
    Chac sprang auf und rannte los, noch ehe Tonina ihm folgen konnte. Dort angelangt, wo der Prinz wartete, sah sie, wie Chac und Balám sich innig umarmten.
    »Gesegnet sei die Göttin des Mondes!«, rief Chac. »Träume ich? Du lebst! Vergib mir, was ich getan habe! Vergib mir, dass ich das Spiel gewonnen habe!«
    »Ich hege keinen Groll gegen dich, Bruder.« Balám wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich bin es, der Schuld auf sich geladen hat.«
    Verblüfft verfolgten Tonina, H’meen sowie der Bedienstete, wie die beiden Männer gleichzeitig aufeinander einsprachen. »Meinetwegen hast du deine Frau und deine Tochter verloren!«
    »Nein, Bruder, das ist allein mir anzulasten. Bevor man sie abführte, haben sie mich geküsst. Meine geliebte Frau und meine entzückende Ziyal haben mich geküsst und mir vergeben und die Götter gebeten, mich zu segnen. Und jetzt habe ich dich gesucht, damit auch du mir verzeihst und ich bei den Göttern Gnade finde und Frieden für meine Seele.«
    »Natürlich vergebe ich dir und segne die Götter, dass sie dich zu mir geführt haben!«
    Balám wich zurück, sein Gesicht verdüsterte sich. »Leider muss ich dir auch etwas sagen, was dich erschüttern wird, Bruder. Es ist meine Schuld, dass Paluma ermordet wurde.«
    »Ermordet?! Das war doch ein Unfall. Sie ist gestürzt.«
    »Nein.«
    Die Sonne über der Lichtung schien sich zu verdunkeln, das Geschnatter der Affen, das Zwitschern der Vögel zu verstummen. Es war, als wüsste die Natur, dass gleich eine folgenschwere Wende eintreten würde. Chac schluckte mühsam. »Erzähl mir alles«, sagte er.
    Ganz deutlich stand Balám erneut jene unheilvolle Zusammenkunft mit Mitgliedern der Vereinigung vor Augen, und er hörte sich wieder sagen, dass der Sieg seiner Mannschaft nicht ihm anzulasten sei. Worauf der Sprecher der Vereinigung erwidert hatte: »Chac ist ein Ehrenmann. Wir respektieren, was er getan oder nicht getan hat.«
    Balám verscheuchte diese schreckliche Erinnerung. »Mein Bruder«, sagte er, »ich habe den Mitgliedern der Vereinigung gesagt, dass ich dich gebeten hatte, das Spiel zu verlieren, dass du dich aber geweigert und ehrenhaft gehandelt hast. Was für sie jedoch, wie sie sagten, nicht von Belang war. Sie nannten dein Handeln unehrenhaft. Ihnen ging es einzig und allein ums Siegen oder Verlieren, und du hast das Spiel entgegen ihren Weisungen nicht verloren. Deshalb haben sie deine Frau und euren ungeborenen Sohn umbringen lassen.«
    Die Sonne verschwand hinter einer Wolkenbank, Schatten senkte sich über die Lichtung. Schweigen breitete sich aus. Chac zuckte zusammen, als hätte er einen Schlag abbekommen. »Ich kann nicht … «, stieß er mit belegter Stimme hervor.
    »Genauso war es, Bruder. Die Vereinigung heuerte einen Mörder an, auf ihre Veranlassung wurde Paluma umgebracht.« Balám dachte daran, wie Paluma sich gegen ihn zur Wehr gesetzt und wie er sie mit einem tödlichen Hieb in den Magen zu Fall gebracht hatte.
    Chac rang um Atem. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Nenne mir die Namen dieser Männer.«
    »Wozu?« Balám war bemüht, nicht zu grinsen. Wie prompt Chac in die Falle getappt war!
    »Ihre Namen«, wiederholte Chac mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich will ihre Namen wissen!«
    Und Balám verriet sie ihm. »Hör zu, mein Bruder«, sagte er noch, »gib dich nicht den Gedanken hin, denen du wahrscheinlich jetzt

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