Das Pestzeichen
finden, als er ein Pferd schnauben hörte. Geräuschlos wie eine Katze sprang er hinter einem breiten Baumstamm in Deckung. Er kniff die Augen leicht zusammen und schaute angestrengt in die Richtung, aus der das Schnauben kam. Tatsächlich konnte er zwischen den Bäumen ein Pferd ausmachen. Urs spürte eine Heidenangst in sich aufsteigen, dass die Waldhüter des Grafen ihn aufspüren könnten, aber niemand war zu sehen. Er wartete eine Zeitlang, ob der Reiter des Pferdes zurückkam. Doch kein Mensch ließ sich blicken.
Langsam kam Urs aus seiner Deckung hervor und eilte an den Bäumen entlang, bis er in der Nähe des Pferdes war. Von dort prüfte sein Blick die Umgebung. Alles blieb ruhig.
Vorsichtig ging er auf das Tier zu, streckte ihm seine Hand entgegen und blickte es aufmerksam an. Je näher er jedoch kam, desto unruhiger wurde das Pferd und hieb schließlich aufgeregt mit dem Vorderhuf auf den Waldboden.
Plötzlich erkannte Urs die Ursache. Das Pferd stand zwischen ihm und einem Mädchen, das, an einen Baumstamm angelehnt, schlafend dalag. Urs blieb stehen.
»Du beschützt wohl deine Reiterin«, flüsterte er mit sanfter Stimme und sah auf das Mädchen. Obwohl ihr kastanienfarbenes Haar eine Gesichtshälfte verdeckte, konnte er ihr ebenmäßiges Antlitz erkennen. Sie schien zu träumen, denn immer wieder veränderte sich ihre Mimik. Urs trat einen Schritt näher an sie heran und entdeckte den Blutfleck an ihrer linken Seite. »Sie ist verletzt«, murmelte er und blickte sich nach allen Seiten um, da er befürchtete, dass der Übeltäter noch in der Nähe war. Da aber das Pferd nun ruhig weitergraste, kniete Urs nieder, um sich die Verletzung anzusehen. In dem Augenblick erwachte das Mädchen.
Sie blickte ihn aus fiebrig glänzenden Augen an und riss im gleichen Augenblick den Mund auf, um zu schreien.
Hastig hob Urs die Hände in die Höhe und zögerte kurz, da er sich in Gedanken die hochdeutschen Worte überlegen musste. Dann erklärte er: »Ich will dir nichts Böses!«
Ihr Blick war voller Angst, und sie wollte aufspringen, brach jedoch laut klagend zusammen. Ihr Körper zitterte, und sie weinte.
»Ich kann dir helfen«, sagte Urs freundlich und lächelte sie an. Das Mädchen musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Bist du ein Jäger?«, flüsterte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin ein Wilderer.«
Kapitel 19
Markus blickte dem Mädchen wütend hinterher. »Es ist wie verhext«, fluchte er. »Meine Kugel hat das Miststück nur gestreift.«
»Du Taugenichts«, brüllte Jeremias und lief zurück zum Hof. Als er merkte, dass der Bursche ihm nicht folgte, drehte er sich nach ihm um und schrie: »Willst du Wurzeln schlagen? Wir müssen ihr folgen!«
Markus schaute kurz in die Richtung, in die das Mädchen entschwunden war, und schwor: »Das nächste Mal bist du fällig!« Dann legte er sein Gewehr über die Schulter und rannte dem Gefährten hinterher.
Jeremias hatte bereits den Innenhof des Bachmichel-Hauses erreicht, als sich ihm zwei Männer in den Weg stellten. Den einen hatte er bereits vor dem Bauernhof getroffen und ihn dort mit einem Kinnhaken zu Boden gestreckt, als er ihn an der Suche nach dem Mädchen hindern wollte.
»Brummt der Schädel?«, höhnte Jeremias, als er sah, wie sich der Mann den Kopf hielt. Den anderen Bauern, der ihn mit seinen Blicken zu durchbohren schien, kannte er nicht. Da sich die beiden Männer ähnelten, nahm Jeremias an, dass es Brüder waren.
»Lasst uns durch, und euch wird nichts geschehen«, forderte Jeremias mit scharfer Stimme. Wie auf Befehl verschränkten beide Bauern die Arme vor der Brust.
»Hier kommst du nicht durch«, sagte der eine.
In dem Moment öffnete sich die Hintertür, und die Bäuerin trat heraus und stellte sich mit einem Prügel in der Hand neben ihn. »Lasst uns in Ruhe und verschwindet«, fauchte sie.
»Halt’s Maul, Alte«, zischte Markus, der den Hof erreicht hatte. Er hielt das Gewehr im Anschlag und drohte: »Ich werde nicht zögern zu schießen.«
Der Oheim ging unbeeindruckt von dieser Drohung auf Markus zu und riss ihm die Waffe aus der Hand. Mit einer fließenden Bewegung drehte er die Flinte um und stieß Markus den Gewehrknauf in den Magen. Der klappte zusammen und blieb stöhnend am Boden liegen.
»Wenn du gegen einen ehemaligen Soldaten die Flinte hebst, solltest du sie vorher laden«, spottete der Oheim und schwang die Waffe gegen Jeremias, der die Arme in die Höhe riss.
»Beruhige dich! Wir wollen euch
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