Das Pestzeichen
nichts Böses. Das Mädchen, dem ihr Unterschlupf gewährt habt, ist eine gemeine Pferdediebin und gehört vor Gericht.«
Der Oheim, der so groß wie Jeremias war, baute sich vor ihm auf. »Wir wissen, warum ihr Susanna jagt. Ihr wollt die magischen Schriften, die ihr dem Vater des Mädchens stehlen wolltet. Deshalb habt ihr die Familie getötet«, sagte er mit zorniger Stimme. »Wenn ihr nicht wollt, dass ich hier und jetzt das Urteil gegen gemeine Mörder fälle und vollstrecke, dann verschwindet von unserem Hof.«
Jeremias ließ sich nicht einschüchtern und zischte: »So heißt das Luder also. Ich werde Susanna jagen, und dagegen könnt ihr nichts ausrichten!«
So schnell, dass Jeremias die Gefahr nicht kommen sah, schlug der Mann ihm den Knauf der Waffe gegen die Schläfe. Er sackte geräuschlos zusammen.
Markus blickte grimmig zu den Bauersleuten hoch und wollte aufstehen, doch der Oheim schlug auch ihm gnadenlos die Flinte gegen den Kopf. Bewusstlos fiel der Bursche zurück auf den Boden.
»Was hast du gemacht?«, fragte die Bäuerin den Schwager erschrocken.
»Ich habe sie außer Gefecht gesetzt, damit sie uns nicht daran hindern, Susanna zu suchen«, erklärte er ungerührt. »Als ich vom Feld zurückkam, habe ich einen Schuss gehört und befürchtete Schlimmes!« Seine Miene war sorgenvoll, und die Bäuerin schlug bestürzt die Hand vor den Mund.
»Das war also der Knall. Worauf warten wir?«, rief der Bauer. »Wir müssen das Mädchen finden.«
»Sucht ihr die Koppel ab. Ich werde mich um die beiden Schurken kümmern!«, schlug der Oheim vor.
»Du wirst dich nicht an ihnen versündigen«, mahnte die Bäuerin.
»Keine Angst«, brummte er und ging in die Scheune, um kurz darauf mit einem langen Seil zurückzukommen. Sogleich liefen der Bauer und seine Frau zur Koppel.
»Euch werde ich es zeigen«, murmelte der Oheim und band den beiden Bewusstlosen Hände und Füße zusammen. Als sie dabei erwachten und Verwünschungen gegen ihn ausstießen, steckte er einem jeden von ihnen einen Knebel zwischen die Zähne.
Da sich Jeremias und Markus weder bewegen noch sprechen konnten, versuchten sie den Bauern mit bösen Blicken einzuschüchtern. Der konnte darüber nur lachen.
»Schaut so finster, wie ihr wollt, mir jagt ihr keine Angst ein. Im langen Krieg hatte ich es mit einigen schlimmen Gesellen zu tun, deshalb hättest du es nicht geschafft, mich mit einem Kinnhaken niederzustrecken«, versicherte er Jeremias. »Mein Bruder aber war sein Leben lang Bauer. Er hat nie diesen Hof verlassen, und deshalb versteht er es nicht zu kämpfen. Ich hingegen habe unter großen Namen gedient und weiß, wie man mit eurer Sorte Lumpenpack umzugehen hat. Nur zu gerne würde ich euch den Schwedentrunk kosten lassen, doch leider haben wir erst dieser Tage die Jauche auf die Äcker verteilt.«
Als er die entsetzten Blicke der beiden Männer sah, zischte er: »Susanna hat uns den Tod ihrer Angehörigen geschildert. Ihr habt nicht einmal Rücksicht auf ihre kleine Schwester genommen.«
Jeremias versuchte etwas zu sagen, doch der Knebel hinderte ihn daran, sodass nur Gegrunze zu hören war. Trotzdem glaubte der Oheim zu ahnen, was er sagen wollte. »Ich vermute, dass du dir die Finger nicht schmutzig gemacht hast. Wahrscheinlich war dieses ungestüme und jähzornige Großmaul der Täter.«
Jeremias nickte heftig.
»Dachte ich es mir. Doch es nützt dir nichts.«
Der Oheim ging vom Hof und ließ die beiden zurück.
Jeremias blickte sich hilfesuchend um und drehte sich umständlich vom Bauch auf den Rücken. Als er zum Wohnhaus hochschaute, sah er an der Luke im Dachgeschoss mehrere Kindergesichter, die zu ihnen herunterstarrten. Er versuchte ihnen mit Stöhnen und seinen Blicken klarzumachen, dass er Hilfe brauchte. Doch die Kinder verschwanden lautlos ins Innere der Kammer. Als Hufgetrappel zu hören war, hob Jeremias erwartungsvoll den Kopf. Enttäuscht sah er, wie der Bauer um die Häuserecke kam. Er führte ihre beiden Pferde auf den Hof und band sie am Stall fest. Ohne ein Wort zu sprechen, zog der Bauer Jeremias beinahe mühelos vom Boden hoch und warf ihn wie einen Sack auf den Pferderücken. Genauso verfuhr er mit Markus.
Jeremias hing mit dem Gesicht nach unten und hatte das Gefühl zu ersticken. Der Knebel drückte ihm gegen den Schlund, und er musste würgen. Bei jedem Schritt, den der Gaul machte, wippte Jeremias’ Kopf hin und her, und er glaubte ohnmächtig zu werden. Das Blut rauschte in seinen Ohren,
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