Das Pestzeichen
sein.«
»Aber wenn du ihnen erklärst, dass unser Sohn ein Leben gerettet hat und deshalb einige Tage später folgen wird, werden sie ihm seinen Platz freihalten«, versuchte Barbli ihren Mann zu überzeugen.
Nachdenklich blickte Jaggi zu Urs hinüber. »Ich weiß nicht, Barbli«, sagte er. »Ich habe kein gutes Gefühl.«
»Was sollte geschehen? Urs ist vernünftig. Er wird sie zu ihrer Familie bringen und uns dann nach Trier folgen. Jaggi«, lachte Barbli, als sie den zweifelnden Blick ihres Mannes sah. »Der Junge ist deiner Meinung nach alt genug, um Soldat zu werden, also wird er wohl einige Tage ohne uns auskommen.« Liebevoll knuffte sie ihrem Mann in die Seite und entlockte ihm ein Lächeln.
Jaggi seufzte laut und ging zu seinem Sohn und der Fremden hinüber.
Kurz darauf blickte Susanna dem Fuhrwerk hinterher und musste aufpassen, dass Urs nicht den Jubel in ihrem Blick sehen konnte.
Kapitel 22
Am späten Nachmittag erreichten Jeremias und Markus die Sulzbacher Saline. Ein Salzknecht öffnete das Tor und ließ sie passieren.
»Wo finden wir Schiffer?«, fauchte Jeremias den Burschen grundlos an. Er hatte keine Lust, freundlich zu sein, denn von dem unbehaglichen Ritt ohne Sattel schmerzte sein Gesäß, und ihn plagten Hunger und Durst. Außerdem geisterte ihm das Bild seines toten Pferds durch den Kopf.
Eingeschüchtert stotterte der Knecht: »Er ist im Salzbrunnenhaus« und wies ihnen die Richtung.
Jeremias rutschte vom Pferd, während Markus sitzen blieb und ihm zurief: »Ich versorge den Gaul und komme nach.«
Jeremias öffnete das Tor des länglichen Holzschuppens, in dem sich der größte der drei Salzbrunnen befand. Sofort schlug ihm feuchte Luft entgegen, und er glaubte, Salz auf den Lippen zu schmecken. Da er noch nie zuvor in dem Schuppen gewesen war, erstaunten ihn die Ausmaße des Brunnens. Er trat näher und blickte in ein tiefes viereckiges Loch, das von mehreren Reihen dicker Eichenbalken eingefasst war. Am anderen Ende des Brunnens strichen Männer eine braune Masse an die äußeren Wände des riesigen Wasserkastens.
»Reicht der Lehm, um fünfzehn Fuß Länge und dreizehn Fuß Breite auszubessern?«, hörte er Schiffer fragen.
»Wie dick soll die Schicht werden?«, wollte ein Arbeiter wissen.
»Die Eichenbalken müssen fast einen Fuß dick mit Lehm eingekleidet sein«, erklärte Schiffer und zählte die Eimer Lehm, die neben ihm standen. Dabei erblickte er Jeremias. Sofort ging er auf ihn zu.
Er musterte ihn kurz und sagte ohne Spott in der Stimme: »Du siehst grauenvoll aus. Was ist geschehen? Habt ihr das Weib nicht finden können?«
Jeremias fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Das ist eine längere Geschichte. Außerdem komme ich um vor Durst. Lass uns ins Wirtshaus gehen und darüber reden«, sagte er erschöpft.
»Ich kann hier nicht weg. Wir müssen die Lehmschicht verstärken.«
»Wozu ist das nötig?«, fragte Jeremias neugierig.
»Der Lehm soll verhindern, dass das süße Regenwasser durch das Holz dringt und die Sole verdünnt.«
»Ich habe nicht gewusst, dass der Brunnen so tief ist«, erklärte Jeremias.
Schiffer nickte. »Das, was du hier vom Brunnen sehen kannst, ist nicht alles. Bis zur Tiefe von fast zwölf Fuß ist er mit dicken Eichenbohlen ausgezimmert, doch im Ganzen ist er fast fünfundzwanzig Fuß tief.«
Jeremias pfiff anerkennend durch die Zähne.
»Ja, das ist beeindruckend. Doch wie du siehst, muss die Saline immer wieder ausgebessert werden. Dazu benötigt man Fachkräfte, die von weit her kommen.«
»Und das kostet Geld«, schlussfolgerte Jeremias und blickte furchtsam in die Tiefe des Brunnens.
Schiffer seufzte. »Die laufenden Kosten fressen mich auf. Außerdem muss ich meine Saline dem Maß anderer Salzwerke anpassen, um konkurrenzfähig zu sein. Durch Fehlbohrungen sind Hohlräume in der Erde entstanden, die verfüllt werden müssen, da sie sonst einstürzen können.«
Plötzlich wurde Schiffer bewusst, was er in diesem Augenblick tat, und sein Blick wurde starr. Er sprach nicht mit einem Freund, sondern mit jemandem, der vor nichts zurückschreckte und zu allem entschlossen war. Bei diesem Gedanken zuckte er fast unmerklich zusammen. Jeremias wusste schon zu viel und könnte es im Ernstfall gegen ihn verwenden. Schiffer versteifte sich und forderte Jeremias auf: »Geh ins Wirtshaus ›Zum röhrenden Hirsch‹. Ich werde dir bald folgen.«
Dann wandte er sich um und ging zurück zu seinen Arbeitern.
Jeremias nickte und
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