Das Pestzeichen
Burschen aus weit aufgerissenen Augen an.
Kapitel 21
Es war früher Morgen, als Jeremias jäh aus dem Schlaf gerissen wurde. Schreiend fuchtelte er mit den Armen umher, denn etwas knabberte an seinem Ohr. Er setzte sich hastig auf und sah einen jungen Dachs, der zwischen den Sträuchern verschwand. »Mistvieh«, schrie ihm Jeremias hinterher und hielt sich das brennende Ohr.
Im gleichen Augenblick sprang Markus hinter einem Baum hervor. »Was ist geschehen?« rief er, während er im Lauf versuchte, seine Hose zu schließen.
»Ein verdammter Dachs hat mich ins Ohr gebissen. Hätte ich eine Flinte, würde ich dieses Mistvieh umbringen«, brüllte Jeremias in die Richtung, in die das Tier verschwunden war.
»Dreh den Kopf zur Seite, damit ich mir deine Verletzung ansehen kann«, sagte Markus. Er untersuchte das Ohr. »Du kannst dich beruhigen, die Wunde blutet kaum.«
»Weißt du, wo wir sind?«, knurrte Jeremias und drückte seine Hand gegen die Bissstelle.
»Ich habe keine Ahnung. Auch nicht, in welche Richtung wir gehen müssen«, gab Markus zu und blickte den Gefährten schulterzuckend an.
Zwischen Jeremias’ Augenbrauen erschien eine Zornesfalte. »Dieser verdammte Bauer«, schimpfte er und stapfte wütend umher.
Mit zunehmendem Licht erkannten die beiden Männer, dass sie auf einem freien Platz standen, der von Bäumen und Sträuchern umsäumt war. Mehrere Häuserruinen, die von Pflanzen überwuchert waren, ließen auf ein ehemaliges Dorf schließen.
»Hier lebt schon seit ewigen Zeiten niemand mehr«, stellte Jeremias fest.
Doch dann glaubte er, sein Blut würde ihm in den Adern gefrieren. Neben einer Mauer lag ein Türblatt auf dem Boden, auf dem noch deutlich ein schwarzes Kreuz zu erkennen war. »Das Pestzeichen«, flüsterte er entsetzt.
Markus blickte ihn fragend an, und Jeremias zeigte ihm das Türholz. »Dieser Mistkerl hat uns in ein Pestdorf gebracht«, erklärte er, und Markus riss die Augen auf.
»Wir müssen hier weg«, sagte Jeremias voller Panik.
Jeremias blinzelte in die Sonne. »Saarbrücken liegt in südlicher Richtung. Dieser verlassene Ort liegt im Osten, also müssten wir hier entlanggehen«, erklärte er hastig und wies Markus die Richtung.
»Du bist erfahrener als ich und wirst es wohl wissen«, hoffte Markus und folgte Jeremias, der vorauseilte.
Die beiden Männer marschierten über Wiesen und Felder und durch Wälder, als in der Ferne ein Donnergrollen zu hören war.
»Hoffentlich hält das Wetter«, nuschelte Markus und blickte sorgenvoll zum Himmel.
»Wenn wir unsere Pferde hätten, könnte uns das Wetter einerlei sein«, brummte Jeremias und schimpfte dann: »Erst lässt du dir deinen Gaul stehlen …«, doch Markus unterbrach ihn.
»Willst du mir die Schuld dafür geben, dass dieses Weibsbild eine Diebin ist?«
»Drei Pferde haben wir wegen diesem Miststück verloren«, regte sich Jeremias auf und drückte einen Ast zur Seite, der ihm den Weg versperrte.
»Au!«, schrie Markus auf und hielt sich das Auge. »Bist du von Sinnen? Du kannst doch nicht den Ast loslassen, ohne mich zu warnen!«
Jeremias überhörte den Aufschrei und ging gleichgültig weiter.
Sie waren schon eine Weile marschiert, als sie zu einer abseits stehenden Kate kamen. Plötzlich hörten sie Pferdegewieher, und jemand brüllte: »Du Schindmähre, bleib stehen!«
Jeremias und Markus blickten sich an und schienen den gleichen Gedanken zu haben. Ohne ein Wort zu verlieren, liefen sie um die Hütte herum und erblickten auf dem Hinterhof ein Pferd, das an einem Zaun festgebunden war. Ein Mann hielt ein weiteres Tier an einem Strick fest. Vor ihm stand ein junger Bursche mit einem Messer in der Hand.
»Schlitz ihm die Kehle auf«, brüllte der Mann den Jungen an, der sich anscheinend nicht traute.
Das Pferd schien die Gefahr zu spüren, denn es stellte sich laut wiehernd auf die Hinterbeine und schlug mit den Vorderhufen aus. Seine Augen waren angstvoll weit aufgerissen.
»Lass sofort den Gaul los!«, schrie Jeremias und eilte auf das Pferd zu. »Das ist mein Pferd«, sagte er wütend und riss dem Mann den Strick aus der Hand.
»Wer seid ihr?«, fragte der Mann und wollte Jeremias das Seil wieder entwenden, doch der stieß den Bauern zur Seite.
»Wir sind letzte Nacht Opfer eines Überfalls geworden, bei dem man uns die beiden Pferde gestohlen hat«, log Jeremias und versuchte sein Pferd zu beruhigen, das aufgeregt hin und her tänzelte.
»Leg das Messer zur Seite«, forderte Markus den
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