Das Pete Buch 01 - Die Lausbuben von Somerset
mir leid, daß ich unaufmerksam war,
Herr Sheriff."
Watson ist irritiert. Daß der junge Mann ihn mit dem Sheriff verwechselt, schmeichelt seiner Eitelkeit. Sein Gehirn beginnt zu arbeiten: a) Wenn der junge Gentleman der gesuchte Verbrecher ist, so mußte er erschrecken. Aber er erschrickt nicht, sondern blickt den Hüter des Gesetzes ganz unbefangen an. — b) Kann ein so höflicher junger Mann ein Verbrecher sein? (Bestimmt nicht!) — Nachdem Watson solche scharfsinnigen Überlegungen angestellt hat und mit seinen logischen Schlußfolgerungen am Ende ist, glaubt er nicht mehr, den Richtigen erwischt zu haben.
Erstens ist es doch ganz undenkbar, meint er, daß ein entsprungener Sträfling so kühn ist, zum Rodeo zu kommen. Zweitens — wäre es doch ein unglaublicher Zufall, daß der Gesuchte versehentlich ausgerechnet mit dem Sheriffsgehilfen zusammen rennt. Es wäre wider jede Logik und Vernunft.
„Sie besitzen eine erstaunliche Ähnlichkeit mit einem gewissen Denny Drake", sagt Watson belustigt. „Wirklich — eine verblüffende Ähnlichkeit."
„Drake?" tut der junge Mann erstaunt. „Wer ist das?"
„Ein — haha! — ein entsprungener Sträfling — hihi!" kichert Watson. „Ist das nicht komisch?"
Der junge Mann lacht ebenfalls. Sie lachen beide, klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und finden es furchtbar komisch.
„Dann müßten Sie mich doch eigentlich — oh, hahaha — doch eigentlich festnehmen — hihihi!" schüttelt sich der Rothaarige vor Lachen.
„Ja — huh, mir tut das Zwerchfell schon ganz weh", stöhnt Watson. „Oh, haha — ja, das müßte ich eigentlich tun. Aber, nun sagen Sie mir bloß, wer Sie wirklich sind. Haben Sie einen Ausweis? Es ist nur der Ordnung halber."
Der junge Mann zeigt Watson seinen Ausweis. Er kommt aus Elkville und heißt „Joe Potter". Sie lachen noch beide eine Zeitlang über das komische Mißverständnis, dann ladet Joe Potter den „Sheriff" zu einem Drink ein. Sie heben einen und versichern sich gegenseitig der größten Sympathie. Dann verabschiedet sich Joe Potter, und Watson setzt seinen Rundgang fort. Er sucht nach einem rothaarigen jungen Mann mit einer Zahnlücke. Er sieht einen kleinen Menschenauflauf, hört vergnügtes Gelächter und sieht Pete Simmers, der kleine Zettel verteilt und dafür Geld in Empfang nimmt.
Watson weiß, daß Pete einen Druckerei-Kasten besitzt. Er wundert sich, warum die Leute so vergnügt sind und für die Zettel Geld bezahlen.
„Was machst du hier für seltsame Geschäfte, Pete?" fragt Watson streng. „Zeige mal her, was das für Zettel sind . . ."
Watson nimmt einen Zettel in Empfang und studiert erstaunt, was da aufgedruckt steht:
Achtung! Achtung! Einmalige Sensation!
Für fünfzig Cent führen wir Ihnen als nie dagewesene Attraktion die beiden Finanzleute Perkins und Pitt vor, wie sie im Schweiße ihres Angesichtes schwerste körperliche Arbeit verrichten. Lassen Sie sich diese Sehenswürdigkeit nicht entgehen! Diese Mitteilung gilt als Eintrittskarte. Die Besichtigung der Sehenswürdigkeit findet um vier Uhr nachmittags statt. Die Besitzer von Eintrittskarten wollen sich bitte beritten gegen vier Uhr auf der Salem-Ranch einfinden.
Der Bund der Gerechten.
„Ha — was soll das heißen?" faucht Watson. „Was ist das wieder für ein Unfug, he?"
„Aber, ich bitte Sie", sagt Pete ungerührt. „Ist es verboten, schwer arbeitende Finanzleute zu besichtigen?"
Watson weiß darauf keine Erwiderung. Es ist nämlich nicht verboten. Auch, daß Pete Geld dafür nimmt, kann nicht beanstandet werden. In Arizona bedarf es keiner Gewerbe-Anmeldung, da kann jeder anbieten und verkaufen, was ihm paßt. Wenn die Leute fünfzig Cent dafür zahlen wollen, um Perkins und Pitt körperliche Arbeit verrichten zu sehen (Welch merkwürdige Sache! Ausgerechnet die zwei — und körperlich arbeiten?), so ist es ihre Sache. Allerdings, wenn Pete etwas verspricht, was dann nicht den Tatsachen entspricht, so handelt es sich um Betrug — und dann erst kann Watson einschreiten.
„Na schön — wir sprechen uns noch!" knurrt er daher nur und geht weiter.
Er beschließt, Petes seltsamen Geschäften näher auf den Grund zu gehen. Er ist ganz versessen darauf, Pete endlich einmal etwas Unredliches nachzuweisen. Es ist doch ganz undenkbar, meint Watson, daß der Makler Perkins und der Bankier Pitt, die bisher nur von anderer Leute Arbeit gelebt haben, auf den hirnverbrannten Einfall kommen könnten, höchst eigenhändig
Weitere Kostenlose Bücher