Das Pete Buch 05 - Wer schleicht denn da herum
Simmers und Sam Dodd in den Raum geschleift, in Ketten, schwere Eisenkugeln an den Gelenken. „Gesteht ihr?" fragte er unheildrohend. „Wir gestehen!" antworteten die Gefangenen angstschlotternd. „Dann verurteile ich euch, zeit eures Lebens in den dumpfen Verliesen des Tower zu sitzen und früh, mittags und abends Dud-leysche Bohnensuppe mit Speck zu essen!" Worauf die Gefangenen verzweifelt mit den gesenkten Köpfen gegen den Fußboden schlugen und dumpfe Klagelaute ausstießen.
Über dem Schlagen erwachte Jimmy, das gehörte eigentlich nicht in seinen Traum. Das waren Steinchen, die gegen sein Kammerfenster geworfen wurden. Aha, dachte der Schlaks — ein Signal! Da wollte ihn einer seiner Freunde wieder einmal zu irgendeinem tollen Ding abholen! Bei den Dingen, die Jimmy und seine Freunde drehten, handelte es sich meistens darum, Leuten, die sich nicht wehren konnten, Streiche zu spielen. Begeistert steckte der Watsonschlaks den Kopf aus dem Fenster. Angestrengt schaute er nach unten, konnte aber niemanden sehen.
„Ist jemand da?" fragte er neugierig, aber auch ein wenig ärgerlich, denn er schlief gern und liebte nicht, im Schlaf gestört zu werden.
Er bekam keine Antwort.
Eben wollte er seinen Kopf wieder einziehen und sich — böse auf den, der ihn genarrt hatte — wieder zu Bett legen, als er das Flüstern einer heiseren Stimme vernahm. Diese Stimme kam seltsamerweise vom Himmel her.
„Mach dich fertig, Jimmy Watson!" sagte die unheimliche Stimme, die wie eine Mischung aus dem Krächzen eines Raben und dem Bellen Halbohrs klang. „Du hast noch einen weiten Weg vor dir!"
„Was soll der Unsinn?" fragte Jimmy zurück. Er war auf einmal ängstlich geworden. Eigentlich hatte er immer Angst, wenn er allein war; seine große Klappe trat nur in Tätigkeit, sobald er eine Horde übler Kameraden um sich wußte oder wenn sein Onkel, der Hilfssheriff, in der Nähe war.
„Kein Unsinn!" erwiderte die Stimme ernst. Nun schien es Jimmy, als ob derjenige, der da sprach, auf dem Dach säße. Er renkte sich den Kopf aus und schaute in die Höhe. Er sah ein paar nackte Beine, die vom Dach herunterbaumelten. Dann senkte sich plötzlich etwas auf ihn herab, von dem er zunächst nicht wußte, was es war. Es wurde auf einmal finster um ihn. Es roch auch nicht schön. Er hatte die unklare Empfindung, mit dem Kopf in einem Sack zu stecken, in dem noch vor ganz kurzer Zeit junge Ferkel transportiert worden waren. Hastig fuhr er mit den Händen in die Höhe und versuchte angstbebend, den Sack abzustreifen. Aber es war, als habe der Mensch, dessen baumelnde Beine er gesehen, nur auf diesen Augenblick gewartet.
Von oben her senkte sich jetzt eine Lassoschlaufe auf ihn nieder; er merkte das erst, als sie sich ihm um die Arme legte, denn sehen konnte er sie nicht. Gleich darauf wurde sie mit einem kräftigen Ruck zugezogen.
Voller Angst versuchte er nun, ins Zimmer zurückzuspringen, um sich vor dem drohenden Unheil zu retten. Aber er konnte es nicht. Der Strick, in dem seine Arme hingen, hielt eisern fest. Dann vernahm er ein Geräusch. Jemand kletterte vom Dach herunter und stieg durch das Fenster.
Zwei Minuten später stand das Rothaar neben dem angstschlotternden Jimmy. Er betrachtete den langen Schlaks kurze Zeit recht aufmerksam. Dann sagte er bewundernd: „Wie schön du zittern kannst, Stinktier! Man sollte dich patentieren lassen! Als lebende Buttermaschine! Eine Viertelstunde lang in ein Faß Rahm gestellt, und die Butter ist fertig!"
Jimmy erkannte jetzt die Sommersprosse an der Stimme.
„Sam Dodd!" rief er, aber es klang keineswegs befreit. Er hatte schon seine Erfahrungen gemacht: Dinge, die auf solche Art begannen, endeten gewöhnlich sehr peinlich für ihn.
„Ich bin nicht Sam Dodd! Du irrst dich, Jimmy Watson! Ich bin der Geist des ersten Herings, den du heute nachmittag voller Gier in dich hineingeschlungen, und die Seelen der andern, die du gefressen hast, werden auch bald da sein! Komm mit! Du bist zu einer sehr wichtigen Zeugenaussage geladen!"
„Ich will aber nichts aussagen!" sträubte sich Jimmy verzweifelt.
„Es genügt, wenn wir es wollen!" belehrte ihn der Geist. „Los! Mach keine Sprüche mehr!"
Jimmy versuchte nicht mehr, sich zu sträuben. Er wußte, daß es immer schiefging, wenn er dergleichen probierte. Er merkte auch gar nicht, was eigentlich weiter passierte, weil er nichts sah; ihm wurde erst bewußt, was geschehen sollte, als sich plötzlich die Schlinge des Strickes, den
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