Das Pete Buch 25 - Das wird ne Sache
stöhnte er. „Dieses Viech hat mir das ganze Fell über die Ohren gezogen — es war mindestens ein Puma!"
„Es war nur eine ganz gewöhnliche Wildkatze, Onkel! Nicht mal eine große, ausgewachsene — ein noch reichlich junges Tier war es."
John Watson aber hörte solche Belehrungen nicht gern. Er kämpfte für gewöhnlich nur mit großen, gefährlichen Tieren — wenn er schon kämpfte. Das war er seinem Amt schuldig. „Wie, Schlaks?" fuhr er den Neffen an. „Du willst die Verdienste deines Onkels herabsetzen? Habe ich das von dir verdient?" Er packte Jimmy beim Genick. Seine Wut suchte ein Ablaßventil.
Dieser wußte aus Erfahrung, was jetzt kommen würde, hastig versuchte er den Onkel abzulenken. „Wir müssen uns doch um den armen Joschy kümmern!" rief er aufgeregt. „Der arme Kerl liegt vielleicht da drinnen und wälzt sich in seinem Blut — die wütende Bestie hat ihn sicher schon in Fetzen gerissen."
„Geh du hinein, Neffe!" sagte Watson matt. „Meine Wunden sind zu schwer, ich muß erst wieder zur Besinnung kommen. Rette, was von dem unglückseligen Knaben noch zu retten ist." Er holte ein Taschentuch hervor und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Die Kratzer brannten immer noch wie Höllenfeuer.
Jimmy überlegte, ob die Sache nicht zu gefährlich für ihn sei. Aber die Wildkatze war ja bereits heraus; was konnte ihm also noch passieren? „Du hast einen Neffen, der deiner würdig ist, Onkel!" sagte er stolz; dann zwängte er sich durch den Eingang. Die Höhle war groß und langgestreckt; es roch nach allerhand Getier. Dafür, daß sich ein Mensch hier aufhielt oder aufgehalten hatte, gab es keine Anzeichen. Jimmy lauschte einen Augenblick; ihm war, als habe er ganz im Hintergrund ein aufgeregtes Atmen gehört. Vielleicht war es besser, sich rasch wieder zurückzuziehen? Dem Onkel konnte er ja sagen, er habe niemanden gefunden. Aber wenn das Atmen doch von Joschy kam? Wenn ihn die Wildkatze so zugerichtet hatte, daß er Hilfe brauchte? Jimmy überlegte lange; dann beschloß er, ein Streichholz anzuzünden.
Im Schein der kleinen Flamme sah er ganz hinten am Ende der Höhle auf einem Felsvorsprung eine zusammen-gekauerte Gestalt sitzen. Er war zu weit entfernt und konnte sie nicht deutlich genug erkennen, aber es konnte Joschy sein. Er nahm all seinen Mut zusammen und ging weiter. „Joschy!" lockte er dabei aufgeregt. „Joschy!" Er bekam jedoch keine Antwort.
Dann schlug ihm mit einmal etwas Weiches, Kräftiges von rechts und links her um die Ohren, daß ihm Hören und Sehen verging. Er dachte, es sei aus mit ihm, und ließ sich zu Boden fallen. Mehrere Minuten lag er reglos da. Als kein weiterer Angriff erfolgte, versuchte er sich wieder zu erheben. Da vernahm er ein empört fauchendes „Schuhu!" Er hatte sich von einer Eule, die er im Tagesschlaf gestört hatte, ins Bockshorn jagen lassen.
Endlich erreichte er das Ende der Höhle. Die Gestalt auf der Barriere war nicht mehr da. Was er gesehen hatte, war also die Eule gewesen. Er zündete ein zweites Streichholz an und stellte bei seinem Schein fest, daß die Höhle auch hinter der Barriere weiterging. Also kletterte er hinüber, um ihren zweiten Teil zu erforschen.
Das bekam ihm nicht gut, denn hinter der Barriere hatte die Höhle sonderbarerweise keinen Boden mehr. Jimmy setzte mit einer netten Flanke hinüber, kam jedoch auf der andern Seite nicht auf! Er hatte das Gefühl, mindestens sieben oder acht Stockwerke tief zu fallen. Zum Schluß schlug er so hart auf, daß seine Knochen knacken. Wie betäubt blieb er liegen.
Watson dauerte es schließlich zu lange, bis sein Neffe zurückkam. Das Brennen im Gesicht hatte nachgelassen. Er drang nun ebenfalls in die Höhle ein, kam bis an die Barriere und hörte es dahinter wimmern. „Jimmy, bist du's?"
„Ich liege im Abgrund der Hölle!" kam es recht weinerlich zurück. „Sämtliche Glieder gebrochen! Auch wenn du mich durch den besten Doc zusammenflicken läßt, ich werde nie mehr ein richtiger Mensch! Hol mich heraus, Onkel, sonst gehe ich hier unten elend zugrunde."
Watson beugte sich über den Felsrand, ein brennendes Streichholz in der Hand. Er mußte sich tief bücken, wenn er Jimmy sehen wollte, und er merkte im gleichen Moment, daß er sich zu tief gebückt hatte. Da war es bereits zu spät. Er hatte das Gleichgewicht verloren und stürzte seinem Neffen nach.
„Womit haben wir das verdient, Jimmy?" sagte er zwei Minuten später, mit seinem Schicksal hadernd. „Nun
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