Das Pete Buch 27 - Falsch gewettet
auch selbst balancieren, keine Sorge. Aber Ehre, wem Ehre gebührt! Ich will getragen werden!"
„Über den Niagara?" fragte der Seiltänzer höhnisch. „Oder erst mal über das Town? In dem Fall könnten wir gleich beginnen."
„Über das Town? Keine Beleidigung, Mann! Das kann jeder. Über den Niagara will ich!"
„Oh fein!" frohlockte Sommersprosse. „Nun müssen
Sie aber auch dabei bleiben, Mr. Watson!" Und Joe Brent, der gleichfalls vom Whisky schwer angeknockt war, faßte Watsons Rechte mit beiden Händen und rief: „Du bist noch ein Mann, John! Du bist ein Kerl!"
„Gut", sagte Sancho Villa, der ganz ruhig geblieben war, obwohl seine Augen düster funkelten. „Ich wette, daß Sie es nicht wagen."
„Was?" schrie Conny Gray über Sams Schulter, „Sie zweifeln Mr. Watsons Wort an?"
„Ich wette, daß Sie es nicht wagen", wiederholte der Mexikaner. „Und ich setze 1000 Dollar auf meine Behauptung."
Watson sprang auf und hielt sich schwankend an der Tischplatte fest.
„Angenommen!" brüllte er. „Und ich — hick — ich setze 2000 Dollar, daß ich mich unerschütterten Herzens über den Niagara tragen lasse. Aber" — er lachte blöde — „es wird sich keiner finden, der sich mir als Untersatz zur Verfügung stellt. Die Menschen sind ja heutzutage alle so feige — die wagen noch nicht mal mehr, ein paar lumpige Königstiger an die Leine zu ... flicken."
„I c h trage Sie rüber", versetzte der Seiltänzer. „Ich Sancho Villa!"
Der Hilfssheriff stutzte nun doch, aber die Jungen vor dem Fenster schrien so laut „Hurra!", daß ihn ihre Begeisterung unwiderstehlich mitriß.
Das Weitere wickelte sich schnell ab. Sämtliche Zuhörer gerieten in Hochspannung, nur Jimmy nicht, und als er sich ängstlich an seinen Onkel heran drängte, erhielt er von diesem eine schallende Ohrfeige.
„Laß mich in Ruh, Bengel! Ich will über den Niagara!
Ein Tigerjäger kennt keine Furcht. Es lebe der Niagara!"
„Hoch, hoch!" fiel die Menge ein — es war wieder ein Somerseter Spektakel erster Güte.
Sancho Villa setzte an der Theke schnell ein Schriftstück auf und las es vor:
„Ich, John Watson, Hilfssheriff von Somerset, verpflichte mich feierlich, mich von Sancho Villa, Seiltänzer aus Mexiko, auf den Schultern auf einem Seil über die Niagara-Fälle tragen zu lassen. Ich setze 2000 Dollar ein, daß ich die Tat auch ausführen werde. — Ich dagegen, Sancho Villa, setze 1000 Dollar dagegen, daß Mr. Watson die Tat nicht wagen wird."
„Und wann soll die Sache steigen?" fragte Mr. Turner, als der Seiltänzer die Erklärung laut verlesen hatte.
„Sobald wie möglich!" rief Watson, der inzwischen auch der dritten Whiskyflasche zur Hälfte den Garaus gemacht hatte. „Ich kann's ja gar nicht — hick — abwarten, bis mich der Beifall umbrandet. Her mit dem Niagara! Und — hick — der Präsident der Vereinigten Staaten muß zusehen. Jawohl! Und dann leere ich eine Pulle Champagner mit ihm! Jawohl, das tue ich!"
„Schön", sagte der Mexikaner kaltblütig. „Dann will ich noch drei Worte hinzuschreiben: innerhalb vierzehn Tagen."
„Und", brüllte Watson abermals, „ich schreibe auch noch was auf den Wisch! Geben Sie mir Ihren Füllhicker — Ihren Füllhalterfeder!"
Dann setzte er sich wieder und kritzelte:
„Unt Ich will Führ alle Zeihten ein wortbrüchiger Feiger Kojohte sein, wenn Ich dih wette nicht Aussfüüüre."
Gleich darauf haute er seinen Namen unter das Dokument; der Seiltänzer tat das gleiche, und Mr. Turner, der Wirt, nahm das schwerwiegende Schriftstück in Verwahrung.
John Watson aber wankte eine halbe Stunde später an Jimmys Arm nach Hause und rief nach allen Seiten in die erstaunten Scharen seiner Schutzbefohlenen: „Auf geht's! Zum Niagara! Zum Niagara!"
*
Am anderen Morgen gab es für den unerschrockenen Mann ein trübes Erwachen. Gestiefelt und gespornt lag er im Bett, einen Eisbeutel, den der sorgende Jimmy beschafft hatte, auf der Stirn, und überlegte krampfhaft, was bei dem fröhlichen Zechgelage eigentlich geschehen war.
„He, Jimmy!" rief er schließlich, als er zu keinem Ergebnis kam. „Wo bist du? Laß dich mal blicken!"
Der Neffe erschien aus der Küche, wo er gerade beim Frühstück war; sein Gesicht verriet, daß irgend ein Unheil in der Luft schwebte.
„Was ist los, Boy? Wozu die Jammermiene? War doch gestern ein Mordsspaß, was? Eine Siegesfeier von altem Schrot und Korn! Alle Mann in voller Fahrt und alle begeistert über mich. Ja, ja, was ich
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