Das Pete Buch 27 - Falsch gewettet
verrückt, du Halunke!"
„Nun: ein Telegramm! Ich kann's Ihnen auswendig aufsagen: ,Mr. Präsident, Washington D. C, Weißes Haus. Sheriff Watson läßt sich am 18. Mai von Sancho Villa über den Niagara tragen. Erbitten Ihre Anwesenheit zu dem nationalen Ereignis. Der Bund der Gerechten, Somerset.'"
Old John sank auf sein Bett zurück, daß das alte Gestell einen kläglichen Ächzlaut von sich gab.
„Ich werde wahnsinnig! Ich platze aus der Haut! Jimmy! Schmeiß diesen Kobold hinaus! Du, du Rumtreiber! Dein Dad sollte dir die Hose strammziehen! Du willst einen alten Mann auf den Arm nehmen?"
Aber Jimmy blieb in düsterem Schweigen am Türpfosten stehen, während Sam in offenbarer Zerknirschung seinen Stetson verlegen zwischen den Fingern drehte. Und bevor Old John weitere Strafmaßnahmen anordnen konnte, erscholl wieder ein einlaßheischendes Klopfen; Jimmy verschwand für kurze Zeit und geleitete dann Mrs. Poldi in den Raum, die verwitwete, spitznasige „Präsidentin des Vereins zur Erkämpfung der Frauenrechte."
„Heil und Sieg, Watson!" rief die Lady stürmisch. „Es gehört sich ja nicht, daß ich so ohne weiteres in Ihr Schlafzimmer eindringe, aber die Begeisterung reißt mich einfach mit. Sie wackerer Todesverachter, Sie verwegener Niagara-Recke! Ich dachte schon, es gäbe in Amerika keine echten Männer mehr, und auch an Ihnen habe ich oft gezweifelt. Aber jetzt tue ich Abbitte! Lassen Sie sich umarmen! Wer solchen Todesmut zeigt, der ist wahrhaftig ein Held!"
Die folgende Umarmung fiel nur von seifen der Lady herzlich aus; Old John saß da wie eine verschüchtertes, von der Todesahnung bereits betäubtes Opferlamm.
„Ihre kühne Absicht schwirrt nämlich schon im ganzen Town herum", fuhr Mrs. Poldi verzückt fort. „Mr. Turner hat das Dokument, auf dem Sie die Wette unterzeichneten, eingerahmt in der Wirtsstube aufgehängt, und nun drängen sich die Gäste, bringen Hochs auf Ihre Gesundheit aus und jauchzen vor Stolz, daß sie Bürger von Somerset sind — Bürger des einzigartigen Towns, das einen solchen Hilfssheriff sein eigen nennt."
„Ja, ja", sagte Watson mühsam. ,„Ich danke Ihnen auch schön, Mrs. Poldi. Nur — wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen — ich habe noch schwierige Amtsgeschäfte zu erledigen."
„Versteht sich, versteht sich", rief die Lady. „Vielleicht sollten Sie auch Ihr Testament nicht vergessen — ich verschwinde sofort. Bis später denn! Und sagen Sie mir bitte rechtzeitig, wann Sie zum Niagara reisen — ich begleite Sie natürlich, um am Tage Ihres Triumphes einen Lorbeerkranz auf Ihr Haupt zu drücken oder" — sie schluchzte kurz auf — „einen Rosenstrauß auf Ihr fernes Grab zu werfen."
Sprach's, winkte und enteilte. Old John aber erhob sich jetzt endgültig und trat drohend auf Jimmy zu.
„Jetzt tust du aber mal das Maul auf, du Duckmäuser! Potzkreuzdonnerschockschwerenot! Ich verlange einen genauen Bericht, verstanden? Das ist ja zum In-die-Wol-ken-Springen! Das ganze Town läuft zusammen, zerreißt sich den Hals über meine Taten, und ich weiß überhaupt nicht, woran ich bin!"
Daran bist du selbst schuld, Onkel John!" kreischte Jimmy. „Du hast unterschrieben, du wolltest dich auf einem dünnen Seil über den Niagara tragen lassen! Ich wollte dich zurückhalten, aber du schlugst mich ja. Und der Unhold da" — er zeigte auf Sam, der immer noch im Zimmer stand — „hat dich in die Sache reingehetzt; er lauerte mit seinen Kumpanen draußen vor dem Fenster, und sie brüllten im Chor ,Hoch, hoch!' und ,Bravo, Mr. Watson!', und dir schwoll der Kamm. Jetzt ist es passiert, und du hast deine Ehre verpfändet. Wenn du aber Angst kriegst und es nicht tust, bist du eine Kojote, und wenn du es doch tust, stürzt du todsicher in die Tiefe, und ich verliere meinen Ernährer. — Ach, Onkel, Onkel, was soll daraus werden!"
Der Schlaks brach in echte Tränen aus, und Sam zog sich diskret zurück. Old John aber stand wie vom Blitz getroffen und sah sich im Geist über einer kochenden, schäumenden, in einen tiefen Abgrund stürzenden Wasserwüste. — Es dauerte einige Minuten, bevor er seine Sinne wieder beisammen hatte.
Inzwischen wurde Sam an der Straßenecke mit Hallo von seinen Freunden begrüßt.
„Hast du ihm den Gruß von Sancho Villa bestellt, Sommersprosse?" rief Andy Rothermere erwartungsvoll. „Was sagte er dazu? Freut er sich?"
Sam winkte ab.
„Ach, Mann! Wenn ich das Bild geahnt hätte! Der olle Prahlsack tut mir im Busen
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