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Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Das Phantom auf dem Feuerstuhl

Titel: Das Phantom auf dem Feuerstuhl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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schmaler
Weg führte unter die Buchen. Kühl war es hier, schattig und still. Moos
polsterte den Boden. Farne wüchsen auf beiden Seiten und engten den Weg ein.
Wenn sich im Blätterdach Zweige bewegten, sprenkelte Sonnenlicht den Waldboden.
    Der Herold-See war so groß wie drei
Fußballplätze. Auf der einen Seite reichte eine Waldwiese bis zum Ufer. Dort
war im Sommer Bade-Betrieb. Noch jetzt lagen leere Limonadenflaschen und
Papierabfälle vom Vorjahr herum.
    Auf den übrigen Seiten umgürtete eine
Wildnis aus Büschen und Sträuchern den See. Wer sich dort durchzwängte, durfte
keine Angst haben vor Spinnen und Kreuzottern.
    An einem warmen Tag im letzten Herbst
war Klößchen fast ohnmächtig geworden, als er sich versehentlich auf eine
Schlange setzte. Freilich — gebissen hatte sie ihn nicht. Und wie Tarzan dann
feststellte, handelte es sich auch nur um eine Blindschleiche. „Wie gut, daß
unser Zelt wasserdicht ist“, sagte Gaby und sprang vom Rad. „Wo’s doch in
letzter Zeit so oft geregnet hat.“
    Sie stellte ihr Rad an einen Baum und
sicherte es mit einem Kabelschloß. Oskars Leine nahm sie kürzer. Dann folgte
Gaby mit dem Hund den Jungs.
    Tarzan ging voran und bog die Zweige
auseinander. Manche peitschten zurück. Wer hinter ihm ging, mußte achtgeben.
Klößchen jaulte einige Male, als er eine gewischt bekam.
    Wie ein Waldläufer arbeitete Tarzan
sich voran. Von Meter zu Meter verfinsterte sich sein Gesicht.
    Jemand war hier gewesen. Das sah er an
frisch geknickten Zweigen, die den Pfad kennzeichneten. Er und seine Freunde
hatten keine Zweige geknickt.
    Noch ein paar Schritte. Jetzt der letzte
und dichteste Strauch. Dahinter lag die kleine Lichtung, auf der das Zelt
stand.
    Tarzan horchte, während er lautlos
weiterging. War jemand bei ihrem Zelt?
    Vorsichtig nahm er die letzten Zweige
beiseite. Dann blieb er stehen — wie versteinert vor Schreck.
    Klößchen, der sich mit gesenktem Kopf
durch die Büsche wühlte, prallte gegen ihn.
    „He, Tarzan! Was ist?“
    „Himmel!“ sagte Tarzan mit belegter
Stimme. „Das gibt’s nicht.“
    Er trat auf die Lichtung.
    „Was gibt’s...?“ Das letzte Wort blieb
Klößchen im Halse stecken. „Oh!“ meinte er dann. „Schreck, laß nach!“
    Tarzan ging zu dem, was mal ihr Zelt
gewesen war. Er bückte sich und hob einige Fetzen auf.

    Es war ein Drei-Mann-Zelt gewesen.
Gemeine Menschen hatten es in einen Haufen Lumpen verwandelt: In Streifen
geschnitten, in Fetzen gerissen. Keiner war größer als ein Taschentuch. Bunte
Flicken mischten sich hinein: Gabys Sonnen-Bikini. Dort lag ein Stück von
Tarzans roter Badehose. Klößchens Frotte-Tuch war aufgedröselt wie Garn.
    Inmitten des Lumpenbergs war ein Stock
in die Erde gerammt. An ihm hing ein Stück Pappe, auf das mit Bleistift eine
Mitteilung gekritzelt war.
    „Ist das eine Gemeinheit!“ rief Gaby,
die erst jetzt aus den Büschen kam. „Wer war das?“
    „Hier steht was.“ Tarzan nahm den
Zettel. „Verfluchte Heuschregenplahge“, las er vor, „schehrt euch in
die Stadt zurück. Sonst kriegt ihr Dräsche.“ Er gab den Zettel weiter, daß
alle ihn lesen konnten. „Der Schrift nach war das ein Analphabet (jemand,
der weder schreiben noch lesen kann). Jedenfalls fast. Sind beachtliche
Fehler drin.“
    „Fehler?“ fragte Klößchen. „Wo?“
    Karl, der ihm über die Schulter sah,
meinte ironisch: „Ihr und Euch schreibt man in der Anrede groß.“
    „Ach so.“
    Gaby stampfte mit dem Fuß auf. „Warum?
Wir haben keinem was getan. Was für ein gemeiner Hund ist das?“
    Tarzan hob die Schultern. „Vielleicht
irgendein Dorfdepp.“
    „Aber warum?“ Gaby hatte Tränen in den
Augen. „Nur weil jemand behämmert ist, braucht er sich doch nicht wie ein Berserker
zu benehmen.“
    „Vielleicht glaubt er, See und Wald
gehören ihm allein und er müßte jeden mit Gewalt vertreiben. Vielleicht leidet
er an Zerstörungswut. Das sind oft Typen, die einen Haß haben auf irgendwas
oder alles. Weil mit ihnen nicht viel los ist und sie das irgendwie spüren. Auf
diese Weise wollen sie dann ihre Minderwertigkeitsgefühle loswerden. Mir tut es
vor allem leid um dein Zelt, Karl“, wandte er sich an den Freund. „Was werden
deine Eltern sagen?“
    Karl winkte ab. „Wir können nichts dafür.
Also, was soll’s?“
    „Heuschreckenplage?“ fragte Klößchen. „Wieso
sind wir eine Heuschreckenplage?“
    „Die Heuschrecke“, antwortete Karl, der
Computer, „wissenschaftlich Saltatoria genannt,

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