Das Phantom auf dem Feuerstuhl
lautlos.
Tarzan umrundete das Gebüsch. Von dort
waren es nur noch wenige Meter zum Waldrand. Bis dicht an die Bäume reichte ein
Acker. Die Furchen waren frisch aufgebrochen und schienen zu dampfen.
Der Mann stand neben einem Baum, fünf
Schritte von Tarzan entfernt. Er war groß. Das blaue Jackett spannte sich über
einen fleischigen Rücken. Auch um die Hüften war der Mann ziemlich massig.
Mit der linken Hand hielt er sich einen
großen Feldstecher vor die Augen. Die rechte Hand hatte er gegen den Stamm
einer Fichte gestützt.
Tarzan atmete lautlos. Das geringste
Geräusch konnte ihn verraten.
Wohin sah der Mann?
Hinter dem Acker kam ein Weizenfeld,
dann Wiese mit einer großen Scheune. Von dort führte ein Feldweg zu einem
Gehöft. Das lag mindestens zwei Kilometer entfernt. Einzelheiten konnte man mit
bloßem Auge nicht erkennen. Aber es schien ein großer Bauernhof zu sein. Auf
einer Koppel tollten Fohlen herum. Nebenan weideten Kühe.
Tarzan hob schon den Fuß, um sich
zurückzuziehen.
Er verursachte nicht das kleinste
Geräusch. Aber der Mann schien Instinkt zu haben wie ein Tier in freier
Wildbahn. Er ließ plötzlich den Feldstecher sinken und drehte sich langsam um.
Wasserhelle Augen starrten Tarzan an.
Das rote Gesicht schien sich noch stärker zu röten.
„He, Bengel, was schleichst du hier ‘rum?“
„Dasselbe könnte ich Sie fragen.
Außerdem schleiche ich nicht ‘rum!“
„Was denn sonst!“ fuhr ihn der Mann an.
„Vorhin habe ich dich auf der Brücke gesehen. Jetzt spionierst du mir nach.“
„Wieso? Gibt’s denn bei Ihnen was zum
Spionieren?“
„Verdammter Bengel!“ Drohend trat der
Mann einen Schritt vor. „Gleich haue ich dir eine hinter die Ohren.“
„An Ihrer Stelle, mein Herr, täte ich
das nicht. Ich haue nämlich zurück.“
Der Mann faßte den Riemen des Fernglases
wie einen Totschläger. Wieselflink bewegten sich seine Augen, suchten das
Gesträuch hinter Tarzan ab, ob da noch andere wären.
Aber dann schien er sich zu besinnen.
Mit großer Mühe quälte er ein Lächeln um seinen verkniffenen Mund.
„Nun mal vernünftig, Junge: Warum
folgst du mir?“
„Das ist Zufall“, schwindelte Tarzan. „Meine
Freunde und ich sind von unserem Biologie-Lehrer beauftragt, bestimmte Blätter
und... Borkenstrukturen zu sammeln. Für den Unterricht. Deshalb. Ihnen bin ich
nachgegangen, weil ich dachte, Sie hätten was ähnliches vor.“
Der Mann schüttelte den Kopf. „Mich
interessiert die schöne Landschaft. Ich mache Jagd auf Ausblicke. Für mich und
meinen Feldstecher.“ Er grinste, als hätte man ihn beim Nasenbohren ertappt.
„Na, dann Waidmannsheil!“ sagte Tarzan.
„Auf die schönen Ausblicke. Wiedersehen.“
Scheinbar arglos nickte er dem Mann zu
und machte kehrt.
Während er zurücklief, sah er über die
Schulter. Aber der Mann folgte ihm nicht.
Die drei Freunde warteten an der
Straße. Oskar hatte sich auf den Bauch gelegt und leckte seine Pfoten; so
machte er sie sauber.
„Nun?“ Klößchen platzte fast vor
Neugier.
„Er hat mich bemerkt.“
„Dann hätte ich ja mitkommen können“,
meinte Klößchen zufrieden. „Ist er nun das Phantom?“
Tarzan hob die Schultern. Dann berichtete
er. „Seltsam finde ich sein Benehmen schon“, sagte er abschließend. „Das mit
den Ausblicken ist eine dumme Ausrede. Er beobachtet irgendwas, irgendwen.
Vielleicht sucht er eine günstige Stelle, wo er die nächste Autofalle
aufstellen kann. Auf jeden Fall müssen wir rauskriegen, wer er ist. Seinen
Namen und...“
„Paul Herfurth“, sagte Karl grinsend. „Er
wohnt in der Stadt. Fürstenstraße 22. Von Beruf ist er Spirituosenvertreter. Da
staunst du, was?“
Für einen Moment verschlug es Tarzan
die Sprache. Die drei grinsten ihn an.
„Woher... Ach so! Der Wagen. Aber ..
„Abgeschlossen hat er ihn“, sagte Karl.
„Aber das rechte Seitenfenster ist offen. Ich hab’ mal ins Handschuhfach
geguckt. Dort liegt das Etui mit der Wagenzulassung — wohin es ja wirklich
nicht gehört. Und einige Briefe. Daher!“
„Schlau, schlau“, sagte Tarzan. „Mit
euch kann man wirklich was anfangen.“
„Achtung! Er kommt“, sagte Gaby.
„Auf, laßt uns Blätter sammeln!“ Karl
lachte. „Und Borkenstrukturen. Und das in diesem Wald, wo’s nichts außer Fichten
und Buchen gibt. Herfurth muß ein botanischer Blindgänger sein. Sonst hätte er
deine Schwindelei, Tarzan, gleich durchschaut.“
Sie waren ziemlich weit von Herfurths
Wagen entfernt. Der
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