Das Phantom im Netz
einen Penny da, ohne Einkommen, obwohl ich doch in eine andere Stadt reisen, eine Wohnung mieten und auskommen musste, bis ich eine Arbeit fände und einen Gehaltsscheck einlösen könnte. Ich kam mir vor wie ein Vollidiot. Wie hatte ich nur ständig mit einem Haufen Geld herumlaufen können. Ich hatte ja praktisch darum gebeten, beklaut zu werden.
Ich informierte die Leitung des Fitnessstudios, bekam aber nur schwaches Mitleid. Die Frau hinter dem Tresen versuchte mich zu trösten und berichtete, dass in letzter Zeit öfter gestohlen worden wäre. Jetzt kam sie damit! Anschließend beleidigte sie mich noch, indem sie mir vier freie Trainingstage anbot. Nicht etwa vier Monate oder auch nur einen Monat – vier Tage !
Ich konnte natürlich nicht riskieren, den Diebstahl der Polizei zu melden.
Das Schlimmste aber war, meine Mutter und Großmutter über meine unglückliche Lage zu informieren. Ich wollte ihnen nicht noch mehr Kummer oder Sorge bereiten. Sie waren immer für mich da und immer bereit, mir zu helfen, aus jeder noch so misslichen Situation – einfach, weil sie mich liebten. (Das heißt nicht, dass sie mich nicht oft genug wissen ließen, wenn es reichte, aber sie waren beide in der Lage, Wut zu zeigen, ohne mir ihre Liebe zu entziehen). Und jetzt setzten sie sich wieder für mich ein und kratzten weitere 5000 Dollar zusammen, die ich bei Bedarf haben könnte. Ich beteuerte ihnen, dieses Geschenk gar nicht verdient zu haben.
Um mich abzulenken, ging ich ins Kino und spielte manchmal Black Jack in einem der Casinos. Ich hatte Kenny Ustons Buch übers Kartenzählen gelesen und konnte die hohen Karten recht gut im Auge behalten – trotzdem gelang es mir nur selten, mit mehr aufzustehen, als ich beim Kommen gesetzt hatte.
Während ich auf meinen neuen Sozialversicherungsausweis wartete, sammelte ich so viele andere Ausweise und Kundenkarten wie möglich. Als ich schließlich so weit war, Las Vegas zu verlassen, hatte ich zusätzlich zu meinem Büchereiausweis Karten vom Las Vegas Athletic Club, von Blockbuster Video sowie eine Geldkarte und eine Nevada Health Card, die Restaurantmitarbeiter und andere Casinoangestellte besitzen mussten.
Die Clark County-Bibliothek wurde zu meinem liebsten Aufenthaltsort. Ich blätterte in Wirtschaftszeitungen und Reisemagazinen, um mir schon einmal ein Ziel zu suchen, das ich ansteuern würde, sobald meine neue Identität komplett wäre. Auf meiner Rangliste standen Austin, Tampa und ein paar andere Orte, doch die endgültige Entscheidung fiel leicht.
Erst kurz zuvor hatte die Zeitschrift Money Denver zu den US-Städten mit dem besten Lebenskomfort gezählt. Das klang doch gut. Denver war nicht zu weit weg, es gab dort gute Stellenangebote in der Computerbranche, die Lebensqualität war hoch, und ich würde dort zum ersten Mal Jahreszeiten erleben – das war mir im Süden Kaliforniens immer verwehrt gewesen. Vielleicht würde ich sogar das Skifahren anfangen.
Ich besorgte Pager für meine Mutter und mich – für den Kauf verwendete ich natürlich falsche Namen und zahlte bar. Einen dritten Pager gab ich Lewis. Ja, Lewis. Er würde mir eine gute Informationsquelle sein. Ich wollte einen Kanal für geheime Kommunikation anlegen, und ich vertraute ihm so weit – trotz und wegen allem, das wir gemeinsam erlebt hatten –, um sicher zu sein, dass er Alarm schlagen würde, wenn er mitbekäme, dass das FBI etwas Konkretes vorhatte.
Wir legten einen Code und eine Vorgehensweise für den Ernstfall fest. Wenn meine Mutter mich erreichen wollte, würde sie mir eine Pager-Nachricht mit der Nummer von einem der großen Hotels in Las Vegas senden. Unser Code für das Mirage war zum Beispiel »7917111« – das ist die Telefonnummer des Hotels ohne Vorwahl. Natürlich ist die Vorwahl für alle Hotels in Vegas dieselbe, und wenn wir sie wegließen, würde es jemandem, der unsere Nachrichten abfing, vielleicht ein wenig schwerer fallen, den Ort ausfindig zu machen. Der zweite Teil des Codes zeigte die Dringlichkeit an: »1« bedeutete »Ruf mich an, wenn du kannst«; »2« stand für »Ruf sobald wie möglich an«; und »3« hieß »Ruf sofort an, es ist ein Notfall«. Wenn ich nun meine Mutter erreichen wollte, würde ich sie mit einer Nummer und dem entsprechenden Dringlichkeits-Code anpiepen, und sie würde die Nummer des Hotels schicken, in dem sie gerade war.
Unabhängig davon, wer die Kommunikation wünschte, blieb die Vorgehensweise dieselbe: Nachdem ich die Nummer
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