Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
Vom Netzwerk:
Vorstellungsgesprächen üblich sind. Sie gab mir eine Führung durch die IT-Abteilung und legte mir dann einen vier- oder fünfseitigen schriftlichen Test meiner Fähigkeiten als Systemadministrator vor. Es ging hauptsächlich um die Betriebssysteme Unix und VMS. Ich beantwortete ein, zwei Fragen falsch, wieder um nicht überqualifiziert zu wirken.
    Ich hatte den Eindruck, als sei das Vorstellungsgespräch gut gelaufen. Als Arbeitsreferenz hatte ich eine Firma in Las Vegas erfunden, Green Valley Systems, ein Postfach gemietet und einen Anrufannahmedienst gebucht. Die Angestellten am Telefon dort wurden angewiesen, jeden Anruf mit »Im Moment sind alle Leitungen belegt« zu beantworten und den Anrufer zu bitten, eine Nachricht zu hinterlassen. Nach dem Vorstellungsgespräch rief ich stündlich bei dem Auftragsdienst an. Am nächsten Tag hatten sie eine Nachricht für mich: Lori bat um ein Gespräch mit dem Leiter der IT-Abteilung von Green Valley. Fantastisch!
    Ich hatte bereits ein Hotel mit einer großen Lobby ausgespäht, die eine Akustik wie ein Großraumbüro hatte, und sichergestellt, dass es dort ein Münztelefon etwas abseits des Besucherstroms gab. (Ich konnte es nicht riskieren, sie auf meinem geklonten Handy anzurufen, denn der Anruf würde auf der Telefonrechnung des eigentlichen Besitzers der Nummer auftauchen.) Mit einer tiefen, theatralischen Stimme stellte ich Eric Weiss eine sehr positive Empfehlung aus.
    Man bot mir die Stelle ein paar Tage später für ein Jahresgehalt von 28 000 Dollar an. Das war nichts, womit man angeben konnte, aber für meine Bedürfnisse reichte es.
    Ich sollte zwei Wochen später anfangen. Großartig! Dadurch hatte ich genug Zeit, um eine Wohnung zu suchen, sie mit gemieteten Möbeln auszustatten und mich dann in ein wichtiges Projekt zu stürzen, das ich schon lange plante. Meine Identität als Eric Weiss war sicher und verifizierbar. Aber in Portland lief immer noch der echte Eric Weiss herum, der dieselbe Sozialversicherungsnummer, dasselbe Geburtsdatum und einen Abschluss von derselben Uni hatte. Das war fürs Erste okay, denn der andere Eric war weit genug weg, dass sich unsere Wege mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kreuzten. Aber ich wollte eine Identität, die ich für den Rest meines Lebens sicher nutzen konnte.
    Neunzehn Staaten, darunter Kalifornien und South Dakota, führten damals »offene« Sterberegister, das heißt, die Unterlagen waren öffentlich zugänglich und jeder konnte sie einsehen. Diesen Staaten war noch nicht klar, wie leicht sie es jemandem wie mir machten. Es gab andere Staaten, die für mich leichter erreichbar gewesen wären, aber South Dakota erschien mir abgelegen genug, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein anderer in einer ähnlichen Situation im Register suchte und auf dieselbe Identität stieß wie ich, sehr gering war.
    Vor meiner Abreise mussten ein paar Vorbereitungen getroffen werden. Als Erstes fuhr ich zu einem Supermarkt, wo eine Maschine stand, mit der man für fünf Dollar Visitenkarten mit eigenem Text sofort drucken konnte. Auf meiner neuen Karte stand:
    ERIC WEISS
    Privatermittler
    Darunter standen die Nummer einer falschen Lizenz aus Nevada, eine erfundene Adresse in Vegas und eine Telefonnummer, die wieder zu einem Anrufannahmedienst führte, falls mich jemand überprüfte. Die dreißig Dollar im Monat dafür waren eine lohnende Investition in meine Glaubwürdigkeit. Denn ich würde sie noch brauchen.
    Mit den Visitenkarten in der Tasche warf ich zwei Anzüge, ein paar andere Klamotten und mein Waschzeug in eine Reisetasche und stieg in ein Flugzeug nach Sioux Falls. Von dort fuhr ich mit einem Mietwagen in die Hauptstadt Pierre, die wie »Pier« ausgesprochen wird. Die Vier-Stunden-Fahrt fuhr ich überwiegend mit Navigationsgerät, immer westwärts in den Sonnenuntergang, die flache Interstate 90 entlang, an Kleinstädten vorbei, von denen ich noch nie gehört hatte. Für einen Großstadtjungen wie mich war das alles viel zu ländlich. Ich war froh, dass ich nur durchfuhr.
    Nun kam der Teil, der ziemlich viel Mut erforderte. Am nächsten Morgen zog ich den Anzug an, den ich zu meinem Vorstellungsgespräch getragen hatte, und machte mich auf den Weg zu den Büros des staatlichen Einwohnermelderegisters, wo ich um ein Gespräch mit einem Verantwortlichen bat. Wenige Minuten später kam die Leiterin der Behörde selbst an den Kundenschalter. So etwas wäre in New York, Texas oder Florida kaum vorstellbar, wo ein

Weitere Kostenlose Bücher