Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
Vom Netzwerk:
damit unwissentlich Zugriff auf ein weiteres Kleinod verschafft: die neueste und beste Version des SunOS, eine Variante des Betriebssystems Unix, das von Sun Microsystems für seine Server- und Workstationsysteme entwickelt wurde. Es war nicht schwer, den Hauptrechner mit dem Quellcode des SunOS zu finden. Aber selbst die komprimierten Dateien waren noch riesig – nicht ganz so gewaltig wie das VMS-Betriebssystem von DEC, aber doch groß genug, um eine Herausforderung darzustellen.
    Und dann fiel mir etwas ein, das den Transfer erleichtern würde. Ich nahm mir die Niederlassung von Sun in El Segundo, südlich des Flughafens von Los Angeles, vor und führte auf mehreren Workstations Abfragen durch, um herauszufinden, welche Peripheriegeräte jeweils angeschlossen waren. Ich suchte nach einem Nutzer, an dessen Computer ein Bandlaufwerk angeschlossen war. Schließlich fand ich einen und rief ihn an. Ich behauptete, ich würde in der Konstruktionsgruppe von Sun in Mountain View arbeiten. »Mir wurde gesagt, sie hätten ein Bandlaufwerk an ihrer Workstation«, sagte ich. »Einer meiner Ingenieure ist bei einem Kunden vor Ort in L.A., und ich muss ihm ein paar Dateien zukommen lassen, die aber sehr groß für eine Übertragung per Modem sind. Haben Sie noch ein leeres Band, auf das ich die Daten stattdessen schreiben lassen könnte?«
    Er bat mich, am Telefon zu bleiben, während er nach einem leeren Band suchte. Nach ein paar Minuten kam er wieder ans Telefon und sagte, er habe es ins Laufwerk geschoben. Ich hatte den Quellcode bis zur Unkenntlichkeit verschlüsselt für den Fall, dass er neugierig wurde und einen Blick riskierte. Ich schickte die Daten an seine Workstation und gab dann die Anweisung, sie auf das Band zu speichern. Als die Übertragung auf Band beendet war, rief ich den Sun-Mitarbeiter zurück. Ich bot ihm an, ein Ersatzband zu schicken, aber wie erwartet sagte er, das müsse ich nicht, es sei okay. Ich fragte: »Können Sie das Band bitte in einen Umschlag mit der Aufschrift ›Tom Warren‹ stecken? Sind Sie in den nächsten Tagen im Büro?«
    Er wollte mir erzählen, wann er da sein würde und wann nicht, aber ich unterbrach ihn: »Wissen Sie was? Wir machen es einfacher. Können Sie es einfach am Empfang hinterlegen, und ich sage Tom, dass er es dort abholen soll?« Klar, machte er gern.
    Ich rief meinen Kumpel Alex an und bat ihn, bei der Sun-Niederlassung vorbeizufahren und dort am Empfang einen Briefumschlag für »Tom Warren« abzuholen. Er zögerte zunächst, weil er wusste, dass da immer ein Risiko dabei war. Aber seine Bedenken waren schnell überwunden, und er erklärte sich bereit. Es hörte sich fast so an, als lächelte er dabei. Wahrscheinlich erinnerte er sich an den Kick, den er immer bekam, wenn er bei einem meiner Hackerabenteuer mitmachte.
    Ich triumphierte. Aber das Seltsame ist: Als ich das Band schließlich bekam, sah ich mir den Code gar nicht lange an. Ich hatte mich der Herausforderung gestellt und gewonnen. Der Code selbst interessierte mich weniger als der Erfolg.
    Ich beschaffte mir noch mehr Passwörter und wertvolle Software von Sun, aber mich immer über die Modems in Mountain View einzuwählen, war riskant. Ich brauchte einen weiteren Zugangspunkt zum Sun-Netzwerk.
    Es war Zeit für ein wenig Social Engineering. Ich programmierte mein geklontes Handy auf eine Nummer mit der Vorwahl von Mountain View. Diese brauchte ich, falls der Systemadministrator im Verkaufsbüro von Sun in Denver zurückrufen wollte, um zu prüfen, ob ich auch der war, der ich behauptete zu sein. Mit einem Tool, das allen Sun-Mitarbeitern zur Verfügung stand, ließ ich eine Liste aller Angestellten ausgeben, wählte per Zufall Neil Hansen aus und notierte mir seinen Namen sowie seine Telefon-, Gebäude- und Mitarbeiternummer. Dann rief ich in der Telefonzentrale des Sun-Verkaufsbüros in Denver an und fragte nach dem Computersupport.
    »Hi, hier ist Neil Hansen von Sun in Mountain View. Mit wem spreche ich?», fragte ich.
    »Scott Lyons. Ich bin für den Support im Büro in Denver zuständig.«
    »Wunderbar. Ich fliege heute noch für einige Besprechungen nach Denver. Ich wollte wissen, ob Sie eine lokale Einwahlnummer haben, damit ich auf meine E-Mails zugreifen kann, ohne jedes Mal ein Ferngespräch mit Moutain View führen zu müssen.«
    »Klar haben wir eine Einwahl, aber ich muss einen Rückruf an Sie einprogrammieren. Das System verlangt das aus Sicherheitsgründen«, erklärte er

Weitere Kostenlose Bücher