Das Phantom im Netz
Anwaltskanzlei bevor. Mir wurde ein Schreibtisch in einem Büro in der Computerabteilung zugewiesen, der neben den Schreibtischen zweier weiterer Mitarbeiter der Abteilung, Liz und Darren, stand. Beide waren von Anfang an sehr nett zu mir, was meiner Erfahrung nach typisch für Denver war, wo die Menschen unverkrampft, offen und freundlich waren. Obwohl sie eine Kollegin war, hatte Ginger ein Büro auf der anderen Seite der Computerabteilung. Auch sie war sehr freundlich zu mir.
Ich begann, mich in meinem neuen Leben wohlzufühlen, auch wenn ich nie vergaß, dass ich jeden Moment wieder zur Flucht gezwungen sein konnte, um nicht wieder in Einzelhaft in einem winzigen Sarg von einer Zelle zu landen. Die Arbeit in einer Anwaltskanzlei hatte ein paar unerwartete Vorzüge. Die Kanzlei belegte fünf obere Stockwerke des noblen, fünfzigstöckigen »Cash Register«-Wolkenkratzers, der so hieß, weil die Spitze des Gebäudes aussah wie eine Ladenkasse. Nach Feierabend loggte ich mich in das Westlaw-Konto ein und las die Bücher in der Rechtsabteilung, immer auf der Suche nach einem Weg aus dem Schlamassel, in den ich mich gebracht hatte.
Siebenundzwanzig
Silberstreif am Horizont
85 102 121 114 32 103 113 32 114 102 99 32 108 121 107 99 32 109 100 32 114 102 99 32 122 109 109 105 113 114 109 112 99 32 71 32 100 112 99 111 115 99 108 114 99 98 32 103 108 32 66 99 108 116 99 112 63
M eine Hauptaufgaben in der EDV-Abteilung der Anwaltskanzlei fielen unter die Kategorie »Betriebsunterstützung«: Probleme mit Druckern und Dateien lösen, Datenkonvertierung von WordPerfect in Word und verschiedene andere Formate sowie die üblichen Aufgaben der System- und Netzwerkadministration. Ich bekam auch einzelne größere Projekte: die Anbindung der Kanzlei ans Internet (damals nahm die weitere Verbreitung des Internets gerade ihren Anfang) und die Einführung und Betreuung eines Produkts namens SecurID, das eine Zwei-Faktor-Authentifizierung ermöglicht. Für einen Fernzugriff auf das Computersystem der Kanzlei benötigt ein autorisierter Nutzer einen sechsstelligen Code, der auf dem SecurID-Gerät angezeigt wird, in Verbindung mit einer geheimen PIN.
Zusätzlich – und ich hätte mir selbst keine bessere Aufgabe zuteilen können – war ich mitverantwortlich für das Telefonabrechnungssystem der Kanzlei. Dafür musste ich mich eingehend mit der Anwendung für die Telefonabrechnung beschäftigen und wurde von der Kanzlei auch noch dafür bezahlt. Auf diese Weise fand ich heraus, wo genau ich Programmanweisungen einfügen musste, um aus der Anwendung ein Frühwarnsystem für mich zu machen.
Ich schrieb ein Skript, das jeden ausgehenden Anruf aus der Kanzlei mit einer Liste von Ortsvorwahlen und Präfixen von Telefonnummern abglich. Und diese Liste enthielt, na was wohl? Genau: die Büros von FBI und Bundesstaatsanwalt in Los Angeles und Denver. Wenn ein Anruf an eine dieser Einrichtungen ging, schickte mir mein selbst geschriebenes Skript eine Nachricht auf meinen Pager mit dem Code »6565«. Den konnte ich mir leicht merken, denn es waren die letzten vier Ziffern der Nummer der Telefonzentrale der FBI-Außenstelle in Los Angeles.
Während meiner Zeit bei der Kanzlei bekam ich den Code tatsächlich zwei Mal, und ich machte mir jedes Mal fast in die Hosen vor Schreck. Jedes Mal wartete ich mit klopfendem Herzen einige Minuten lang ab, sah dann nach, welche Nummer angerufen worden war, und wählte sie dann selbst.
Beide Anrufe hatten dem Büro des Bundesstaatsanwalts in Los Angeles gegolten … aber Gott sei Dank der zivilrechtlichen Abteilung, nicht der strafrechtlichen.
Natürlich trainierte ich in meiner Freizeit weiterhin im Fitnessstudio und arbeitete nach wie vor an meinen Hackerprojekten. Aber ich fand auch noch Zeit dafür, die verschiedenen kulturellen Angebote in Denver zu genießen. Meine Besuche im Planetarium weckten nicht nur das Interesse für Astronomie aus meiner Kindheit wieder, es gab dort auch Lasershows mit Rockmusik meiner Lieblingsbands wie Pink Floyd, Journey und The Doors – eine außergewöhnlich schöne Erfahrung.
Ich gewöhnte mich an meine neue Identität und wurde geselliger. Manchmal ging ich in eine Disko, nur um mich mit jemandem unterhalten zu können. Ein paar Mal ging ich mit einer Frau aus, aber ich fand es ihr gegenüber nicht fair, mich auf mehr einzulassen. Wenn mich das FBI erwischte, konnten alle, die mir nahestanden, in sehr unangenehme Situationen geraten, wenn sie gegen mich
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