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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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nicht Jahre versucht, den Verschlüsselungsalgorithmus zu überlisten, beziehungsweise den Code zum Knacken der VMS-Passwörter zu optimieren. Eine seiner Fragen, die mit Ja oder Nein zu beantworten war, bezog sich auf die Mathematik hinter dem Purdy Algorithmus. Anstatt zu recherchieren, riet ich einfach – warum auch nicht? Ich hatte eine 50:50-Chance, auf die richtige Antwort zu tippen. Leider lag ich falsch. Aus purer Faulheit flog der Schwindel auf.
    Anstatt mir anzuzeigen, dass er mich durchschaut hatte, schickte mir Neill jedoch eine E-Mail, in der er behauptete, den größten Bug aller Zeiten gefunden zu haben – in eben dem VMS-Login-Programm, das er für mich analysieren sollte. Er gab an, die Information sei so sensibel, dass er sie mir nur per Post schicken wolle.
    Ich erwiderte darauf mit Derrells echter Mailadresse bei DEC, ob er mich wirklich für so dumm halte. Das Spiel war aus.
    Das nächste Mal, als ich mich bei Hicom einloggte, erschien eine Nachricht auf dem Bildschirm:
    Ruf mich an, Kumpel.
    Neill.
    Ich musste lächeln. Warum nicht? Schließlich wusste Neill ja, dass er verarscht worden war, also hatte ich nichts mehr zu verlieren.
    Ich rief an.
    »Hey, Neill, wie geht‘s?«
    »Hey, alles klar?« Kein Zorn, keine Drohungen, keine Feindseligkeiten. Wir waren wie alte Freunde.
    Wir redeten stundenlang, und ich erzählte ihm bis ins kleinste Detail, wie ich ihn all die Jahre ausspioniert hatte. Ich entschied, dass ich ihm ruhig alles sagen könnte, da ich wahrscheinlich keine Hacking-Aktionen mehr gegen ihn starten würde.
    Wir schlossen Telefonbekanntschaft und verbrachten manchmal Stunden am Hörer, über mehrere Tage. Immerhin hatten wir ähnliche Interessen: Neill entdeckte gern Sicherheitslücken, und ich nutzte gern Sicherheitslücken. Er erzählte mir, die finnische Polizei habe ihn kontaktiert, nachdem ich mich bei Nokia eingehackt hatte. Er bot mir an, mir einige seiner besten Fehlerjagd-Tricks beizubringen – jedoch nur, wenn ich mir vorher bessere Kenntnisse über die »Interna« von VMS aneignete, also die internen Abläufe des Betriebssystems, die Details »unter der Haube«. Er meinte, ich hätte zu viel Zeit damit verbracht, mich in Systeme zu hacken, anstatt etwas über die Interna zu lernen. Er gab mir sogar Aufgaben, die ich bearbeiten sollte, und anschließend ging er meine Ergebnisse durch und bewertete sie. Der VMS-Bug-Jäger unterrichtete den Hacker – schon komisch, oder?
    Später fing ich dann eine E-Mail ab, die Neill, so vermutete ich, an das FBI geschickt hatte. In ihr stand:
    Kathleen,
    es gab nur eine Übereinstimmung im Mail-Log von nyx
    Sep 18 23:25:49 nyxsendmail[15975]: AA15975: messageid=<
    [email protected]>
    Sep 18 23:25:50 nyxsendmail[15975]: AA15975: from=    .lut.ac.uk>, size=67370, class=0
    Sep 18 23:26:12 nyxsendmail[16068]: AA15975: to=    .du.edu>, delay=00:01:15, stat=Sent
    Hoffe, das hilft weiter
    In dem Log waren Datum und Uhrzeit der Mails aufgeführt, die ich von meinem Konto bei Hicom zu einem meiner Konten auf einem öffentlich zugängigen System in Denver namens »nyx« geschickt hatte. Und wer war diese »Kathleen«, die Adressatin der Mail? Ich dachte mir schon, dass es sich mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit wieder einmal um Special Agent Kathleen Carson handelte.
    Die E-Mail-Nachricht war der klare Beweis dafür, dass Neill mit dem FBI zusammengearbeitet hatte. Das überraschte mich nicht. Schließlich hatte ich zuerst gezogen und ihn attackiert, also hatte ich es vielleicht nicht besser verdient. Ich hatte unsere Unterhaltungen genossen und einiges von ihm gelernt, und so war es schon enttäuschend, dass er nur mitgespielt hatte, weil er gehofft hatte, dem FBI dabei zu helfen, mich zu kriegen. Obwohl ich immer Sicherheitsvorkehrungen getroffen hatte, wenn ich ihn angerufen hatte, beschloss ich nun, dass es wohl besser wäre, den Kontakt ganz abzubrechen, damit das FBI nicht noch mehr Hinweise in die Finger bekam.
    In einem Strafprozess ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, dem Verteidiger sämtliche Beweisstücke vorzulegen. Unter den Dokumenten, die mir später überreicht wurden, fand sich ein Brief, der Umfang und Bedeutung von Neills Zusammenarbeit deutlich machte. Als ich das Dokument zum ersten Mal in Händen hielt, war ich schier erschrocken.
    U.S. Department of Justice Federal Bureau of Investigation
    11000 Wilshire Boulevard #1700
    Los Angeles, CA 90014
    September 22, 1994
    Mr.

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