Das Phantom im Netz
vor Fangschaltungen auf der Hut und achtete auf Schaltstellenmeldungen, die eine Anrufverfolgung in Echtzeit anzeigten. Ich musste vorsichtig sein, besonders mit einem erfahrenen Hacker wie Austin. Meine Gegenmaßnahmen waren offenbar erfolgreich: Das FBI war jedenfalls nie bei mir aufgetaucht.)
In L.A. angekommen, suchte ich mir ein Hotel nahe der Union Station. Als ich mitten in der Nacht aufwachte und das Licht anknipste, sah ich Dutzende Kakerlaken über den Fußboden jagen. Igitt! Ich musste meine Schuhe anziehen, um die paar Schritte zur Toilette zu gehen. Vorher hatte ich beide Schuhe ausgeschüttelt, um sicherzugehen, dass sich keines der Ungeziefer darin befand. Mir lief ein echt gewaltiger Schauer über den Rücken. Ich konnte nicht schnell genug da raus. Fünfzehn Minuten später zog ich ins Metro Plaza Hotel. Meine neue Unterkunft hatte eine besondere Bedeutung für mich: Als ich im Federal Metropolitan Detention Center von L.A. in Einzelhaft gesessen hatte, blickte ich auf eben dieses Hotel. Wie oft hatte ich mir gewünscht, ich könnte dort sein anstatt in meiner 3,5 mal 3 Meter großen Zelle mit der steinharten Matratze!
Ich hatte meinen Vater lange nicht gesehen. Er hörte sich die Geschichte von meiner Beinahe-Verhaftung an und wie die Bullen nicht einmal gewusst hatten, dass sie beinahe einen Typen erwischt hätten, dem das FBI schon seit zwei Jahren hinterherjagte. Mein Vater zeigte keinerlei Reaktion, so als wüsste er nicht, wie er mir helfen könnte. Es war, als würde ich eine Szene aus einem Film beschreiben oder irgendeine skurrile Begebenheit aus meiner wilden Fantasie kramen.
Ich rief Bonnie an, sagte ihr, ich sei in L.A. und wolle sie sehen. Warum gerade sie? Es gab nicht viele Menschen, mit denen ich über meine missliche Lage hätte sprechen können. Meine Hackerkumpel waren einer nach dem anderen übergelaufen. Es gab niemanden sonst in dieser Stadt, dem ich hätte vertrauen können.
Sie hatte ihre eigenen Gründe, einem Treffen zuzustimmen. De Payne wusste, dass mein Computer, meine Bänder und meine Disketten in Seattle beschlagnahmt worden waren, und er wollte wissen, wie viel unserer Korrespondenz die Bullen gefunden hatten – und wie viel davon ihn belasten könnte. Bonnie kam wohl im Interesse ihres Freundes und hoffte wahrscheinlich, dass ich ihr versichern könnte, dass die Polizei von Seattle und der Secret Service in meinen Dateien keine Informationen finden würden, die ihn in Schwierigkeiten brächten.
Wir trafen uns, und ich erzählte ihr, dass ich alles verloren hatte und von vorn anfangen musste. Obwohl die Dateien auf meinem Computer verschlüsselt waren, hatte ich vieles unverschlüsselt auf Magnetbändern gespeichert, die ich eigentlich noch in meinem Bankschließfach hatte verstecken wollen. Bis dahin hatte ich es aber nie geschafft, und das bedeutete, dass das FBI oder die Polizei von Seattle nun sämtliche Informationen besaß, und zwar unverschlüsselt.
Sie merkte, dass ich kurz davor war durchzudrehen. Sie versuchte, mich zu beruhigen und mir Ratschläge zu geben, aber wir wussten beide, dass ich nur eine Wahl hatte. Entweder ich stellte mich und würde Monate, wenn nicht Jahre in Einzelhaft fristen, oder ich spielte eben weiter »Fang mich doch«. Ich hatte mich immer an die letztere Option gehalten, und jetzt war der Einsatz sogar noch höher, denn die Anklage würde nicht mehr nur auf Verstoß gegen die Bewährungsauflagen lauten: Mit den Daten von meinem beschlagnahmten Computer hatte das FBI nun genug harte Beweise für meine Hacks in der Hand.
Ich spürte, was Bonnie dachte: Sie war überzeugt, dass ich früher oder später geschnappt würde, und sie machte sich Sorgen um mich. Ich aber musste einfach nach besten Kräften weitermachen und mich um die Konsequenzen später kümmern. Es war schön, sie wiederzusehen, doch angesichts der Tatsache, dass meine Ex mit meinem besten Hackerkumpel zusammen war, ergab sich natürlich eine gewisse Distanz zwischen uns.
Als ich eine Woche später in Las Vegas ankam, hatten sich meine Mutter und meine Großmutter nach dem ersten Schock über meine Beinah-Verhaftung schon wieder etwas beruhigt. Ich war überwältigt von ihrer Sorge und Zuneigung.
Ich benötigte dringend eine neue Identität, wusste aber, dass es zu gefährlich wäre, einen Namen von der South-Dakota-Liste zu nehmen, da die Informationen hierzu auf den unverschlüsselten Bändern zu finden waren, die bei der Wohnungsdurchsuchung in Seattle
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