Das Phantom im Netz
Sache flog uns um die Ohren. Micah loggte sich eines Abends ohne mich ein. Bloodstock bemerkte den Einbruch, alarmierte das FBI und gab an, der Angriff sei über den Hirschman-Zugang erfolgt. Kurz darauf stand das FBI bei den Hirschmans vor der Tür. Mr. Hirschman stritt ab, irgendetwas mit dem Einbruch zu tun zu haben. Als sie ihn unter Druck setzten, verpfiff er seinen Sohn. Und Micah verpfiff mich.
Ich war zu Hause in meinem Zimmer im zweiten Stock gerade online und hackte mich über Modem in die Vermittlungsstelle der Pacific Telephone ein, als jemand an unsere Haustür klopfte. Ich öffnete das Fenster und rief hinunter: »Wer ist da?« Die Antwort tauchte noch Jahre später in meinen Albträumen auf. »Robin Brown, FBI.«
Mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Mutter rief mir zu: »Wer ist da?«
»Er sagt, er sei vom FBI«, rief ich zurück.
Mutter lachte. Wer immer es war, sie glaubte nicht, dass das FBI vor unserer Tür stand.
In Panik nahm ich den Telefonhörer aus der Halterung des Modems und verstaute das TI-700-Computer-Terminal, das Lewis De Payne mir geliehen hatte, unterm Bett. Damals gab es noch keine Personal Computer, und ich hatte nur ein Terminal und ein Modem, über das ich mich mit dem System einer Firma oder einer Universität verband. Es gab keinen Monitor, und daher wurden die Antworten auf meine Befehle auf einer langen Rolle Thermopapier ausgedruckt.
Siedend heiß fiel mir ein, dass etwa eine Tonne von dem Zeug unter meinem Bett lag, randvoll mit Daten, die bewiesen, dass ich sehr viel Zeit damit verbrachte, mich in die Computer von Telefongesellschaften, Vermittlungsstellen und Privatfirmen einzuhacken.
Als ich die Treppe herunterkam, schüttelte mir der FBI-Agent die Hand. »Ich hab Stanley Rifkin hochgenommen», erzählte er mir, wohl wissend, dass mir der Name etwas sagte. Der Typ hatte den größten Bankraub der Geschichte durchgezogen und zehn Millionen Dollar von der Security Pacific National Bank durch einen Trick mit einer telegrafischen Überweisung gestohlen. Der Agent wollte mich damit wohl beeindrucken. Nur leider wusste ich, dass Rifkin nur deshalb geschnappt worden war, weil er in die USA zurückgekehrt war und mit seinen Taten rumgeprahlt hatte. Im Ausland hätte er weiterhin in Luxus leben können.
Aber der Typ vor unserer Tür war ein Bundesagent, und es gab immer noch keine Bundesgesetze, die meine Aktivitäten am Computer abdeckten. Er drohte: »Du kannst für 25 Jahre hinter Gittern landen, wenn du dich weiter mit der Telefongesellschaft anlegst.« Ich wusste genau, dass er keine rechtliche Handhabe gegen mich hatte und nur versuchte, mich einzuschüchtern.
Es funktionierte nicht. Er war kaum weg, da ging ich schon wieder online. Ich verbrannte nicht einmal die verräterischen Ausdrucke. Ja, das war blöd. Aber ich konnte es schon damals nicht lassen.
Mich ließ der Besuch des Agenten völlig kalt, und auch meine Mutter reagierte anders, als man hätte erwarten können. Für sie war das Ganze nur ein schlechter Witz. Was konnte ein Junge schon groß anstellen, wenn er zu Hause mit einem Computer spielte? Sie hatte keinerlei Vorstellung von dem, was ich tat.
Der Nervenkitzel und die Befriedigung, die ich verspürte, wenn ich etwas Verbotenes tat, waren einfach zu groß. Die Technologie hinter Telefonen und Computern übte eine unwiderstehliche Faszination auf mich aus. Ich fühlte mich wie ein Forschungsreisender im grenzenlosen Cyberspace, der sich nur wegen des Nervenkitzels und der Befriedigung in die Systeme einschleicht. Dabei überlistete ich Ingenieure mit jahrelanger Erfahrung und fand heraus, wie man Sicherheitsbarrieren überwindet und wie alles funktioniert.
Nur kurze Zeit später bekam ich einen Eindruck vom langen Arm des Gesetzes. Micah war bald nach dem Besuch des FBI nach Paris aufgebrochen. Sein Air-France-Flug war weniger als zwei Stunden in der Luft, als er eine Durchsage hörte: »Mr. Micah Hirschman, bitte drücken Sie den Rufknopf für den Kabinenservice.« Er tat es, und eine Stewardess kam zu ihm und sagte: »Der Pilot möchte Sie gerne im Cockpit sprechen.« Micah war verständlicherweise ziemlich überrascht.
Im Cockpit gab der Copilot über Funk Bescheid, dass Micah jetzt da war, und reichte ihm dann das Mikrofon. Aus dem Funkgerät drang eine Stimme: »Hier ist Special Agent Robin Brown vom FBI. Wir haben erfahren, dass Sie das Land verlassen haben. Warum fliegen Sie nach Frankreich?«
Die ganze Situation ergab keinen Sinn. Micah
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