Das Phantom im Netz
Stimme aus den Gefängnislautsprechern: »Mitnick zum Büro des Abteilungsleiters. Mitnick zum Büro des Abteilungsleiters.«
Das klang nicht gut. Als ich hinkam, standen wieder die drei Anzugträger meines »Begrüßungskomitees« vor mir, und sie waren außer sich vor Wut. Ich wies darauf hin, dass sie mir befohlen hatten, ich solle mir einen Job suchen, und dass der Abteilungsleiter der Telekommunikation mich eingestellt hatte.
Sie waren ziemlich angepisst.
In den nächsten Wochen hatte ich einen der übelsten Jobs im Gefängnis: Ich spülte in der Küche Töpfe und Pfannen.
Am 21. Januar 2000 wurde ich in den frühen Morgenstunden in die Vollzugsgeschäftsstelle geführt. Ich hatte meine Strafe verbüßt und wurde entlassen. Aber ich war nicht erleichtert.
Wenige Monate zuvor war eine Klage des Staates Kalifornien wegen des Versuchs, mir von der Kfz-Zulassungsbehörde Fotos von Joseph Wernle, Joseph Ways und Eric Heinz (alias Justin Petersen) schicken zu lassen, abgewiesen worden, aber sie hatte mich nervös gemacht. Als ich darauf wartete, dass sich die Türen für mich öffneten, rechnete ich damit, dass auf der anderen Seite ein anderer Staat oder eine Bundesbehörde nur darauf wartete, mich wieder verhaften zu können. Ich hatte gehört, dass Häftlinge entlassen worden waren und in dem Moment, als sie einen Fuß vor die Tür setzten, für etwas anderes wieder verhaftet wurden. Ich lief im Warteraum nervös hin und her und wartete.
Als ich Lompoc schließlich verließ, konnte ich kaum fassen, dass ich ein freier Mann war. Meine Mutter und Tante Chickie holten mich ab. Mein Dad hatte auch vorgehabt zu kommen, aber er hatte einen leichten Herzinfarkt erlitten und erst kürzlich eine dreifache Bypassoperation gehabt, die zu einer Infektion mit Staphylokokken geführt hatte. Ein Haufen Reporter und Kamerateams waren da. Außerdem Eric Corley mit einer großen und aufgeregten Menge von »Free Kevin«-Fans. Wir standen noch rum und unterhielten uns, als die Gefängnisleitung uns mit Fahrzeugen vom Gelände verscheuchte. Aber mir war das egal. Ich fühlte mich wie neu geboren. Würde die Zukunft nur zu einer Fortsetzung meiner Vergangenheit werden? Oder begann jetzt etwas völlig anderes?
Es erwies sich, dass vor mir ein ganz neues Leben lag, das ich mir nie erträumt hätte.
Achtunddreißig
Das Leben danach: Das Blatt wendet sich
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E s ist eine echte Herausforderung, über mein Leben seit meiner Entlassung aus der Haft zu schreiben. Aber die Geschichte wäre nicht vollständig ohne dieses Update.
Im März 2000, zwei Monate nach meiner Entlassung, erhielt ich einen Brief von Senator Fred Thompson, in dem er mich bat, nach Washington zu kommen und vor dem Staatlichen Untersuchungsausschuss des Senats auszusagen. Ich war überrascht, erfreut und geschmeichelt, dass die Senatoren mein Wissen über Computer anerkannten und sogar so hoch schätzten, dass sie meine Vorschläge hören wollten, wie man die Computersysteme und -netzwerke der Regierung besser schützen konnte. Ich musste mir bei meinem Bewährungshelfer die Erlaubnis für den Flug nach Washington, D. C., holen. Wahrscheinlich hatte es noch nicht viele Anträge auf Reiseerlaubnis bei der Bewährungsbehörde gegeben, auf denen als Reisegrund »Aussage vor einem Senatsausschuss« stand. Vielleicht war meiner sogar der erste.
Das Thema der Sitzung war »Cyberattacken: Wie steht es um die Sicherheit in Regierung und Verwaltung?« Mein guter Freund und Unterstützer Jack Biello konnte gut mit Worten umgehen und half mir dabei, meine schriftliche Aussage aufzusetzen.
Jeder hat schon einmal die Live-Übertragung einer Sitzung im Fernsehen gesehen, aber aufgerufen zu werden und dort zu sitzen, vor dieser Tribüne, hinter der die vertrauten Gesichter bekannter Politiker auf einen hinunterschauen und jedem Wort lauschen – nun ja, diese Erfahrung hat fast etwas Magisches.
Der Saal war brechend voll. Ich war der Hauptzeuge der Anhörung, die von Senator Fred Thompson geleitet wurde, mit den Senatoren Joseph Lieberman und John Edwards als Beisitzer. Als ich anfing, meine Aussage zu verlesen, war ich ziemlich nervös. Aber sobald die Befragung begann, wurde ich spürbar selbstbewusster. Ich machte meinen Job wohl ganz gut, riss sogar ein paar Witze und wurde mit Gelächter belohnt. (Der Text meiner Aussage ist online verfügbar
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