Das Phantom im Netz
unter http://hsgac.senate.gov/030200_mitnick.htm.)
Im Anschluss an meine Aussage stellte Senator Lieberman mir einige Fragen über meine Vorgeschichte als Hacker. In meiner Antwort gab ich an, dass mein Motiv Wissbegier gewesen sei, nicht Profitgier, und dass ich nie einfach Schaden anrichten wollte. Ich erzählte von dem Fall des Finanzbeamten, Richard Czubinski, dessen Verurteilung aufgehoben wurde, als das Gericht seine Begründung akzeptierte, er habe aus Neugier auf die Informationen zugegriffen. Er hatte nie vorgehabt, die Informationen zu nutzen oder zu verbreiten.
Lieberman schien beeindruckt von meiner Aussage und von dem Bezug auf einen Präzedenzfall, den ich selbst gefunden hatte, und er schlug vor, ich solle Anwalt werden.
»Mit meinen Vorstrafen bekäme ich niemals eine Zulassung«, sagte ich. »Aber vielleicht haben Sie eines Tages ein Amt inne, das es Ihnen erlaubt, mich zu begnadigen.«
Für diese Antwort erntete ich viele Lacher.
Es schien, als sei eine bisher verschlossene Tür aufgestoßen worden. Ich bekam immer mehr Einladungen zu Vorträgen. Meine Arbeitsmöglichkeiten waren durch meine Bewährungsauflagen so stark eingeschränkt, dass ich darüber fast verzweifelt wäre. Und jetzt, nach meiner Aussage vor dem Senatsausschuss, eröffnete sich mir plötzlich die Chance auf eine einträgliche Karriere als Redner.
Das Problem war nur, dass ich furchtbares Lampenfieber hatte! Es dauerte viele Unterrichtsstunden bei einem Sprechtrainer und kostete mich Tausende Dollar, bis ich meine Angst überwunden hatte.
Als ersten furchtsamen Schritt in mein Leben als Redner wurde ich Mitglied im örtlichen Toastmasters-Club. Die Clubtreffen fanden ausgerechnet im Hauptsitz von General Telephone in Thousand Oaks statt, wo ich einmal gearbeitet hatte, wenn auch nur sehr kurz. Durch meinen Toastmaster-Besucherausweis erhielt ich ungehindert Zutritt zu den Büros im Gebäude. Ich musste jedes Mal grinsen, wenn ich das Gebäude betrat und daran dachte, wie entsetzt die Sicherheitsleute gewesen wären, wenn sie das gewusst hätten. Etwa zu jener Zeit erhielt ich eine Vortragsanfrage der US-Kommission für Nationale Sicherheit im 21. Jahrhundert, einer Denkfabrik, die den Kongress und den Präsidenten in Sicherheitsfragen berät. Zwei Männer vom Verteidigungsministerium kamen als Abordnung der Kommission zu meiner Wohnung in Thousand Oaks und stellten mir zwei Tage lang Fragen darüber, wie die Computernetzwerke der Regierung und des Militärs sicherer gemacht werden konnten.
Zu meiner Überraschung wurde ich außerdem in zahlreiche Nachrichten- und Talkshows eingeladen. Plötzlich war ich ein Medienstar und wurde für die großen internationalen Printmedien interviewt, die Washington Post, Forbes, Newsweek, Time, das Wall Street Journal und den Guardian. Für den Webauftritt der politischen Zeitschrift Brill‘s Content sollte ich eine monatliche Kolumne schreiben. Da ich nicht einmal in die Nähe eines Computers durfte, bekam ich die Erlaubnis von Brill‘s , meine Manuskripte handschriftlich einzureichen.
Auch andere ungewöhnliche Jobangebote erreichten mich. Eine Sicherheitsfirma wollte mich als Berater anheuern, und die Paramount Studios versuchten, mich als technischen Berater für eine geplante neue Fernsehserie zu gewinnen.
Als mein Bewährungshelfer, Larry Hawley, von diesen Jobangeboten erfuhr, wies er mich darauf hin, dass ich keine Artikel über Computertechnologie schreiben und auch keine andere Arbeit annehmen durfte, bei der es um dieses Thema ging. Arbeiten dieser Art fielen nach Ansicht der Bewährungsbehörde unter »Beratertätigkeit in der Computerbranche« und waren mir somit ohne ausdrückliche Erlaubnis untersagt. Ich hielt dagegen, dass über etwas zu schreiben keine Beratungstätigkeit sei. Die Artikel seien für die breite Öffentlichkeit gedacht. Ich machte praktisch dasselbe, das Kevin Poulsen während seiner Bewährungszeit gemacht hatte.
Unbeirrt holte ich mir rechtliche Beratung ein. Sherman Ellison, ein befreundeter Anwalt, bot an, mich kostenlos zu vertreten. Natürlich musste ich meinen Fall Richterin Pfaelzer unterbreiten. Unser letzter beruflicher Kontakt hatte sich über drei Jahre hingezogen und unsere gegenseitige Wertschätzung nicht gerade verbessert. Keiner von uns war erfreut darüber, den anderen wiederzusehen.
»Das Gericht hat nie daran gezweifelt, dass wir mit Mr. Mitnick wieder zu tun haben würden«, sagte Richterin Pfaelzer. Sie meinte damit natürlich,
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