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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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schwerwiegendsten Vorwürfe entkräften konnte.
    Ich erzählte meinem Anwalt Donald Randolph, dass ich einen Präzedenzfall gefunden hatte, der die Wende in meinem Fall bedeuten konnte, er jedoch sagte nur: »Überlassen Sie das mir, Kevin. Ich bin der Anwalt.« Aber als ich ihm den Fall zeigte, bekam er große Augen.
    Im Jahr 1992 hatte der Finanzbeamte Richard Czubinski seinen Zugang zu den Computern der Finanzbehörde dazu benutzt, in den Steuererklärungen verschiedener Politiker, Prominenter und anderer Regierungsbeamter herumzuschnüffeln. Er hatte es aus Neugier getan. Auch er wurde, wie ich, wegen Computerbetrugs angeklagt und im Dezember 1995 verurteilt. Gegen das Urteil, sechs Monate Haft, legte er erfolgreich Berufung ein. Das Berufungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass Czubinski, wie ich, nie vorgehabt hatte, die Informationen zu benutzen oder weiterzugeben, sondern aus reiner persönlicher Neugier auf sie zugegriffen hatte. Er gewann die Berufungsverhandlung, sein Urteil wurde revidiert, und er kam nie ins Gefängnis.
    Mit diesem eindeutigen Präzedenzfall hatten wir, meiner Meinung nach, eine Chance, gegen die Staatsanwaltschaft zu gewinnen. Ich konnte den Beginn der Verhandlung kaum erwarten und sagte das meinem Anwalt. Er schlug folgende Strategie vor: Ich sollte die Hackerangriffe eingestehen, aber argumentieren, dass ich mich nicht des Computerbetrugs schuldig gemacht hatte, weil ich es, wie Czubinski, nur getan hatte, um meine persönliche Neugier zu befriedigen.
    Auch Randolph hielt den Czubinski-Fall für den perfekten Präzedenzfall für meine Verteidigung. Aber es gab noch ein größeres Problem. Randolph erzählte mir nur sehr zögernd davon. Offensichtlich wollte er taktvoll vorgehen. Anscheinend hatte er etwas zurückgehalten, das er mir jetzt endlich sagen wollte.
    Einer der Staatsanwälte drängte meinen Verteidiger schon seit Wochen, er solle mich zu einem Deal überreden. In den letzten Tagen hatte er es sogar mit Erpressung versucht: Wenn ich mich nicht schuldig bekannte und den Fall außergerichtlich beilegte, so warnte er, würde die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren nach dem anderen gegen mich einleiten. Wenn sie vor einem Gericht verloren, würden sie mich vor das nächste zerren. Wenn sie gewannen, würden sie die Höchststrafe fordern. Es wäre ihnen völlig gleichgültig, ob sie eine Verurteilung erreichten oder nicht, auch so würde ich die ganze Zeit ohne Kaution in Untersuchungshaft bleiben.
    Ich war bereit zu kämpfen. Aber nun riet mir mein eigener Anwalt, Randolph, so taktvoll er konnte: »Ich denke, sie sollten dem Deal zustimmen.«
    Und dann erklärte er mir: »Wenn wir vor Gericht gehen, müssen Sie aussagen. Und im Kreuzverhör können Sie auch zu anderen Dingen befragt werden …«
    Mit »anderen Dingen« meinte er die wilden Geschichten, die seit Jahren über mich in Umlauf waren, das Gerücht, ich sei bei der CIA eingedrungen, beim FBI und sogar bei NORAD. Ganz zu schweigen von allem, was ich während meiner Hackerkarriere tatsächlich getan hatte, dessen ich aber nie angeklagt wurde: Ich hatte Telefonhauptverteiler im ganzen Land manipuliert, auf Informationen der kalifornischen Kfz-Zulassungsbehörde zugegriffen, das Telefon eines FBI-Informanten angezapft und die Voicemail eines Sicherheitsangestellten bei Pacific Bell abgehört. Und noch vieles mehr.
    Also akzeptierte ich den Deal, der sehr viel besser war als der, den man mir drei Jahre zuvor angeboten hatte.
    Die Bewährungsauflagen sahen vor, dass ich drei Jahre lang elektronische Geräte, wie Computer, Handys, Faxgeräte, Pager, Textverarbeitungssysteme und Ähnliches, nur mit vorheriger, schriftlicher Erlaubnis meines Bewährungshelfers benutzen durfte. Schlimmer noch, ich durfte auch über keine dritte Person auf einen Computer zugreifen. Die Staatsanwaltschaft erlaubte mir nicht einmal, ohne vorherige Erlaubnis auch nur einen Flug zu buchen. Ich fragte mich ernsthaft, wie ich unter diesen Bedingungen Arbeit finden sollte. Ich durfte auch nicht als Berater in der Computerbranche tätig werden. Ich hielt die zahlreichen Bedingungen für meine Freilassung für unverhältnismäßig hart, und einige waren so weit gefasst, dass ich befürchtete, aus Versehen dagegen zu verstoßen.
    Der Staatsanwalt fasste die Bedingungen nicht nur so weit, um mich zu bestrafen, sondern auch, um auf Nummer sicher zu gehen, dass ich kein Schlupfloch fand, keine Möglichkeit, die Auflagen zu umgehen.
    Am 16. März 1999

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