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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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Entwicklung der Software, die ich kopiert hatte, angaben. Aber sie hatten ihre Software ja noch. Ich hatte sie ihnen nicht weggenommen, und daher war es nicht gerechtfertigt, eine Schadenssumme in der Höhe der Entwicklungskosten für den Quellcode geltend zu machen. Angemessener wäre der Wert einer Lizenz für den Quellcode gewesen, der wahrscheinlich keine zehntausend Dollar betrug.
    Sie wollten unbedingt eine harte Strafe für mich, aber jeder wusste, dass die tatsächlichen Verluste der Firmen sehr viel geringer waren als angegeben. Wenn überhaupt, dann bestanden sie aus der Arbeitszeit, die dafür aufgewendet werden musste, um meine Einbrüche zu untersuchen und das Betriebssystem und die Anwendungen auf den Systemen, in die ich eingedrungen war, neu zu installieren, außerdem aus den Lizenzgebühren, die sie einem Kunden für eine Quellcodelizenz berechneten.
    Die Schadenersatzforderung von 300 Millionen Dollar gegen mich war derart ungeheuerlich, dass meine Unterstützer in der »Free Kevin«-Kampagne einen Gang höher schalteten. Mit jeder offenkundigen Ungerechtigkeit, die der Staatsapparat gegen mich beging, wuchs die Zahl meiner Unterstützer. »Free Kevin« war inzwischen zu einer Basisbewegung herangewachsen, mit Unterstützern im ganzen Land – und sogar in Russland!
    Wenn Eric einen Protestmarsch organisierte, sah man in den Fernsehnachrichten Menschenmengen mit »Free Kevin«-Schildern vor den Gerichtsgebäuden in gleich fünfzehn Städten, darunter Portland in Maine, Los Angeles, Spokane, Atlanta und sogar in Moskau vor dem Kreml. Eric brachte die Ungerechtigkeiten in der Zeitschrift 2600 auf den Punkt:
    Seit dem 15. Februar 1995 sitzt Mitnick ohne Haftprüfung und Untersuchungshaft wegen des Besitzes von Software, die angeblich mehrere Millionen Dollar wert sein soll. Aber die Firmen, die das behaupten, haben nie Beweise dafür geliefert und ihre Aktionäre auch nie über diese »Verluste« informiert, wie sie es laut Gesetz hätten tun müssen. Computer- und Rechtsexperten sind sich weitgehend einig darüber, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit gar kein Schaden entstanden ist und dass diese hohe Summe nur gerechtfertigt wäre, wenn alle Daten und alle Entwicklungsunterlagen gelöscht worden wären. Solche Schäden wurden aber nie zur Anzeige gebracht. Und dennoch bleibt Mitnick in Haft, als wäre genau das passiert.
    Meine Unterstützer forderten die Regierung dazu auf, meine verfassungsmäßigen Rechte auf Unterstellung der Unschuld und einen fairen Prozess innerhalb einer angemessenen Frist zu respektieren.
    Soviel ich weiß, vertraten die »Free Kevin«-Demonstranten in den verschiedenen Städten nicht unbedingt die Ansicht, dass alle Anklagen fallen gelassen werden sollten und ich sofort als freier Mann das Gefängnis verlassen sollte. Aber sie hatten etwas gegen die offensichtlichen Unregelmäßigkeiten in diesem Fall: die Verweigerung einer Haftprüfung; die illegale Durchsuchung und Beschlagnahmung; den unzureichenden Zugang der Verteidigung zu Beweismaterial; die Weigerung des Gerichts, die Kosten für meinen vom Gericht bestellten Anwalt zu übernehmen, was dazu führte, dass ich vier Monate lang praktisch keine Rechtsvertretung hatte; und die Schadenersatzforderungen von mehreren Hundert Millionen Dollar für das Kopieren von Quellcode.
    Als die Menschen erfuhren, was da passierte, bekam die Angelegenheit richtig Auftrieb. Die Presse berichtete über die Proteste. Menschen klebten »Free Kevin«-Aufkleber auf ihre Autos und in ihre Schaufenster. Manche trugen sogar »Free Kevin«-T-Shirts und -Anstecker.
    Während der Demonstrationen vor den Gerichten sah ich von dem kleinen Fenster meiner Gefängniszelle aus sogar ein Flugzeug, das ein »Free Kevin«-Banner hinter sich herzog. Ich musste mich zwicken, um mich davon zu überzeugen, dass das alles wirklich geschah.
    In den vergangenen vier Jahren hatte ich mich mit verleumderischen Reportern herumschlagen müssen, mit verständnislosen Richtern, abergläubischen Polizisten, manipulativen Freunden und ausbeuterischen Filmproduzenten, die den Kevin-Mitnick-Mythos aus Eigennutz weiter befeuerten. Die Vorstellung, dass es da draußen Menschen gab, die endlich wussten, was ich durchmachte, war sehr tröstlich für mich.
    Tatsächlich motivierte mich die Unterstützung dazu, mich für den Kampf zu rüsten. Ich hatte in der Rechtsabteilung der Gefängnisbibliothek einen aktuellen Fall gefunden, der mich davon überzeugte, dass ich die

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