Das Phantom im Netz
Haft.
Nach nur sechs Monaten wurde ich vorzeitig entlassen. Als über die Auflagen nach meiner Entlassung entschieden wurde, fragte man mich: »Wie können wir dafür sorgen, dass Sie nicht mehr hacken?«
Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte, und sagte schließlich: »Na ja, es gibt zwei verschiedene Arten des Hackens: eine ethische und eine unethische.«
»Ich brauche einen formellen Ausdruck dafür«, war die Antwort. »Wie könnte man denn noch dazu sagen?«
Ich dachte an Star Wars und sagte: »Sie könnten es ›dunkle Seite des Hackens‹ oder ›Darkside-Hacking‹ nennen.«
Und so wurde in meinen Entlassungsunterlagen als Auflage eingetragen: »Kein Darkside-Hacking«.
Ein Reporter, ich glaube von der Los Angeles Times, stieß schließlich auf diese Bezeichnung und griff sie auf. So verbreitete sich der Begriff über die Presse, und schließlich wurde ich zu Kevin Mitnick, dem Darkside-Hacker.
Nach meiner Freilassung rief mich ein Polizist an, der sich als Dominick Domino vorstellte. Er erklärte, er habe mich nach meiner Festnahme im Fromin‘s zur Jugendstrafanstalt gefahren. Er arbeitete an einem Lehrfilm des LAPD über Computerkriminalität und wollte wissen, ob ich bereit wäre, mich für ein Interview filmen zu lassen. Klar, warum nicht?
Ich glaube nicht, dass der Film heute noch benutzt wird. Aber für eine Weile trug ich dazu bei, dass Polizisten in L.A. lernten, wie man Typen wie mich schnappt.
Damals wohnte meine Oma mit einer Freundin zusammen, Donna Russell, die ein hohes Tier in der Software-Entwicklung bei 20th Century Fox war und mir dort einen Job vermittelte. Ich dachte nur: Cool! Vielleicht treffe ich ja ein paar Filmstars. Ich liebte diesen Job. Ich arbeitete direkt auf dem Studiogelände und lief jeden Tag auf dem Weg zu meinem Arbeitsplatz an Filmsets vorbei. Der Job war gut bezahlt, und ich lernte einiges über Anwendungsentwicklung mit den Programmiersprachen COBOL und Basic Assembly von IBM. Außerdem lernte ich den Umgang mit IBM-Großrechnern und HP-Minirechnern.
Aber alles hat früher oder später ein Ende. In diesem Fall war es früher. Ein Kollege legte Beschwerde gegen meine Einstellung ein, da laut Betriebsvereinbarung alle Stellen erst einmal intern ausgeschrieben werden mussten.
Nach nur zwei Monaten war ich meinen Job wieder los und stand auf der Straße.
Eines Tages bekam ich einen überraschenden Anruf von meinem Bewährungshelfer, Melvin Boyer. »Kevin, gönn dir heute ein ausgiebiges Frühstück«, sagte er. »Iss, so viel du kannst. Und dann komm bei mir vorbei.« Das konnte nur eines bedeuten: Ärger.
Unter den Amateurfunkern in Los Angeles gab es eine Gruppe, die auf 147,435 MHz sendete und die alle nur »Das Haifischbecken« nannten. In dieser Gruppe waren Beschimpfungen und Beleidigungen an der Tagesordnung, und man störte gern den Funkempfang anderer Leute. Für mich war es nur ein Spiel. Aber später fand ich heraus, dass einer aus dem Haifischbecken mir wohl etwas übel genommen hatte. Er rief bei der Jugendbehörde an und behauptete, ich habe mich in das Computernetzwerk seines Arbeitgebers eingehackt. Was ich nicht getan hatte. Aber der Typ arbeitete bei Xerox, und das machte ihn anscheinend glaubwürdig.
Mutter fuhr mich zu meinem Bewährungshelfer. Der Leiter der Abteilung für Bewährungshilfe bat mich, ihm in sein Büro zu folgen. Er sagte meiner Mutter, sie solle in der Eingangshalle warten, ich sei gleich wieder zurück. Doch wir waren kaum außer Sicht, als man mir Handschellen anlegte und mich durch eine Hintertür aus dem Gebäude und in ein wartendes Auto zerrte. Ich schrie nach meiner Mutter und rief ihr zu, dass ich entführt wurde, dass ich für etwas verhaftet wurde, das ich nicht getan hatte.
Mein Bewährungshelfer und sein Chef lieferten mich im Gefängnis in Van Nuys ab. Mein Onkel Mitchell hatte mich nur wenige Wochen vorher von eben diesem Gefängnis aus angerufen. Sein Leben war wie eine Achterbahnfahrt: Er hatte mit Immobilien Millionen verdient und sich ein Anwesen in Bel Air gekauft, der besten Adresse in L.A., um Klassen besser als Beverly Hills. Aber dann hatte er das Kokain für sich entdeckt und war schließlich beim Heroin gelandet, das ihn – wie sollte es anders sein – um Haus, Geld und Selbstachtung brachte.
Aber ich hatte ihn immer noch sehr gern. In der Nacht, als er mich vom Gefängnis in Van Nuys anrief, bot ich ihm an, den Münzfernsprecher so einzustellen, dass er damit kostenlos
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