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Das Phantom im Netz

Titel: Das Phantom im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Mitnick , William L. Simon
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sei ziemlich harmlos im Vergleich zu den Straftaten seiner anderen Patienten. Jahre später, als ich 1988 mal wieder in Schwierigkeiten war, schrieb er an die Richterin und erklärte, ich würde nicht aus krimineller oder böswilliger Absicht hacken, sondern das Hacken sei Ausdruck einer Zwangsstörung. Ich sei, so schrieb er, »süchtig« nach Hacken.
    Soweit mein Anwalt und ich feststellen konnten, war dies das erste Mal, dass Hacken als Sucht bezeichnet und damit auf eine Stufe mit Drogen-, Alkohol-, Glücksspiel- oder Sexsucht gestellt wurde. Die Richterin erfuhr von der Suchtdiagnose, erkannte an, dass ich an einer Krankheit litt, und stimmte daraufhin einem Deal zu.
    Nach meiner Freilassung aus der Jugendhaft saß ich am 22. Dezember 1982, drei Tage vor Weihnachten, kurz vor Mitternacht mit meinem Hacker-Kumpel Lenny DiCicco im Computerpool auf dem Campus der USC, der University of Southern California. Lenny war ein hoch aufgeschossener Sportlertyp und ein enger und zuverlässiger Hacker-Partner … zumindest damals noch.
    Wir hatten uns bisher immer von außen per Modem ins USC-System eingehackt, aber die geringe Übertragungsgeschwindigkeit nervte uns. Wir hörten uns ein wenig um und fanden schließlich heraus, dass in einem der Uni-Gebäude mehrere DEC TOPS-20-Großrechner standen, die mit dem Arpanet verbunden waren, dem Vorläufer des Internet. Direkt vom Campus aus hatten wir natürlich einen sehr viel schnelleren Zugang zu den Uni-Systemen.
    Auf einer Fachkonferenz hatte Lenny Dave Kompel Informationen über eine neu entdeckte Sicherheitslücke entlockt. Diese hatten wir ausgenutzt und jetzt umfassenden Systemzugriff (oder auch »VIP«-Zugriff) auf alle Studentenrechner. Wir wollten aber an so viele Passwörter wie möglich ran. Zwar hatten wir volle Administratorrechte, aber in den Systemeinstellungen war die Verschlüsselung aller Passwörter aktiviert.
    Kein Problem. Ich begann, die E-Mail-Konten aller Mitarbeiter mit VIP-Zugang durchzusehen. Dabei fand ich das Mail-Konto der Abteilung, die für die Vergabe von Benutzernamen und Passwörtern zuständig war. Ich durchsuchte deren E-Mails und fand haufenweise unverschlüsselte Benachrichtigungen über neue Benutzernamen und Passwörter. Bingo!
    Ich riskierte es und schickte den kompletten Inhalt des E-Mail-Kontos an die Druckausgabe. Eine Viertelstunde später legte ein Angestellter einen dicken Stapel Ausdrucke ins Abholfach für Studenten. Jetzt musste ich nur noch dafür sorgen, dass mich keiner der Studenten, die an den Computern arbeiteten, beobachtete. So unauffällig wie möglich holte ich den Stapel Papier aus dem Abholfach und brachte ihn zu Lenny.
    Kurz darauf stürmten zwei Campuspolizisten in den Raum, direkt auf Lenny und mich zu und schrien: »Keine Bewegung!«
    Mein Ruf war mir wohl vorausgeeilt. Sie hatten es gezielt auf mich abgesehen und kannten meinen Namen. Später erfuhr ich, dass ein Administrator, Jon Salomon, ein paar Tage vorher auf derselben Fachkonferenz gewesen war wie Lenny und ich. Jon hatte mich im Computerraum gesehen und erkannt. Er hatte Dave Kompel angerufen, der ein Mitglied der Gruppe gewesen war, für die ich als Schüler das RSTS/E-Entwicklersystem bei DEC gehackt hatte. Kompel hatte ihm geraten, die Polizei anzurufen und mich verhaften zu lassen.
    Die Polizisten schnappten sich die Ausdrucke mit allen Passwörtern. Da ich immer noch auf Bewährung war, musste ich mit richtig großem Ärger rechnen. Sie schleppten Lenny und mich zu ihrer Dienststelle auf dem Campus und fesselten uns mit Handschellen an eine Sitzbank. Dann verschwanden sie in ihren Büros und ließen Lenny und mich neben der Eingangstür sitzen. Lenny zappelte eine Weile rum und zeigte mir dann seine Hände – ohne Handschellen! Anscheinend hatte er immer einen Schlüssel für Handschellen im Geldbeutel, war jetzt irgendwie drangekommen und hatte sich befreit.
    Er schloss meine auch auf und sagte: »Für dich steht mehr auf dem Spiel, also hau schon ab!« Aber wie weit würde ich kommen? Die Polizisten hatten meine Autoschlüssel und wussten außerdem, wer ich war.
    Ein Polizist betrat den Raum. Ich ließ die Handschellen hinter meinem Rücken wieder zuschnappen, aber der Polizist hörte das Geräusch, kam rüber und sah genauer nach. »He, wir haben Houdini hier sitzen«, rief er in Richtung der Büros. Lenny ließ inzwischen unbemerkt den Schlüssel zu Boden fallen und kickte ihn unter einen Autoreifen, der aus unerfindlichen Gründen gegen

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