Das Phantom im Netz
telefonieren konnte. Er war sofort begeistert.
Also erklärte ich ihm: »Wenn ich auflege, wählst du die 211-2345. Damit erreichst du eine automatische Ansage, die dir die Nummer des Telefons ansagt, das du gerade benutzt. Die Nummer gibst du mir dann telefonisch durch.« Mit der Nummer konnte ich den entsprechenden Hauptverteiler der Telefongesellschaft neu einstellen. Ich wählte mich dafür in den Hauptverteiler ein und änderte den Anschlusstyp auf »Privatanschluss«, sodass man angerufen werden und raustelefonieren konnte. Und wo ich schon mal dabei war, schaltete ich auch noch Konferenzschaltung und Anklopfen frei. Ich programmierte das Telefon so, dass die Anrufe der Polizeistation von Van Nuys in Rechnung gestellt wurden.
So konnte ich kaum eine Woche später, dank meines Gefallens für Onkel Mitchell, vom Gefängnis aus unbegrenzt telefonieren. Ich hing die ganze Nacht lang am Telefon. Solange ich mit meinen Freunden telefonierte, konnte ich verdrängen, in welcher Situation ich mich befand. Außerdem musste ich einen Anwalt für meine Verteidigung finden, denn mir war klar, dass ich es verdammt schwer haben würde, wenn ich wieder vor dem Bewährungsausschuss der Jugendbehörde stand. Auf Bewährung Entlassene haben nur sehr eingeschränkte Rechte, und es würde schon ausreichen, wenn es für die Mitglieder des Ausschusses wahrscheinlich war, dass ich getan hatte, was man mir vorwarf. Die Beweisführung musste hier nicht wie bei einem normalen Strafverfahren alle »begründeten Zweifel« ausräumen.
Dann verschlechterte sich meine Lage noch weiter. Ich wurde ins Bezirksgefängnis von L.A. verlegt. Dort musste ich mich als Allererstes ausziehen und wurde dann mit Insektengift eingesprüht. Beim Anblick des Schlafsaals bekam ich richtig Angst. Ich wusste gar nicht, wovor ich mich mehr fürchten sollte: den richtig gefährlichen Jungs, die aussahen, als würden sie mir bei der ersten Gelegenheit die Augen aus den Höhlen reißen, oder den durchgeknallten Jungs, die jemanden verletzten konnten, ohne es mitzukriegen. Die Pritschen waren alle schon belegt, als ich ankam. Also setzte ich mich gegen die Wand gelehnt auf den Boden und versuchte, bis zum Morgen wach zu bleiben, aus Angst, beklaut zu werden.
Boyer, mein Bewährungshelfer von der Jugendbehörde, sprach mit meiner Mutter: »Das Bezirksgefängnis ist ein gefährlicher Ort. Er könnte da drin zu Schaden kommen.« Er sorgte dafür, dass ich am nächsten Tag wieder nach Norwalk zurückverlegt wurde. Ich könnte ihn heute noch dafür umarmen.
Ich war 20 Jahre alt, aber dank der Bewährungsstrafe war immer noch die Jugendbehörde für mich zuständig. Ich kam also zum dritten Mal in die Auffangeinrichtung in Norwalk, und es war wie ein Wiedersehen mit alten Freunden.
Der Bewährungsausschuss nahm bei meiner Anhörung die neuen Vorwürfe offensichtlich nicht weiter ernst, wahrscheinlich weil es keine Beweise gab, außer dem Bericht eines Bewährungshelfers, der auf einer einzigen Aussage basierte. Sie erkannten allerdings an, dass ich entgegen der Bewährungsauflage mein Funkgerät benutzt hatte. Aber das Verbot war nie rechtlich bindend gewesen, denn nur die Kommunikationsbehörde hatte das Recht, mir meine Funklizenz zu entziehen. Ich bekam für den Verstoß 60 Tage. Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits 57 Tage abgesessen, und so war ich wenige Tage später draußen.
Meine Mutter holte mich ab und fuhr mich zur Polizeiakademie von L.A. Ich hatte gehört, dass dort »polizeifreundliche« Nummernschilder verkauft wurden. Angeblich wurde man mit einem solchen Schild seltener bei einer Verkehrskontrolle rausgewunken. Als Erstes fiel mir in dem Laden allerdings ein Stapel Bücher auf: das LAPD-Jahrbuch. Ich kaufte eins als »Geschenk für meinen Onkel, der beim LAPD arbeitet«. Es kostete 75 Dollar, aber es war, als hätte ich den Heiligen Gral gefunden. In dem Buch waren Bilder von allen Polizisten in Los Angeles, auch von denen, die undercover gegen das organisierte Verbrechen ermittelten!
Ob diese Bücher wohl heute noch jedes Jahr veröffentlicht und an jeden verkauft werden?
Ein Freund meiner Mutter, ein Unternehmer namens Don David Wilson, leitete Franmark, eine Dachgesellschaft mit mehreren Tochterfirmen. Er gab mir einen Hilfsjob im Computerbereich – Programmierung, Datenerfassung usw. Die Arbeit war todlangweilig, und um wenigstens ein bisschen Spaß, Aufregung und geistige Herausforderung zu erleben, fing ich zwangsläufig wieder mit dem
Weitere Kostenlose Bücher