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Das Phantom von Manhattan - Roman

Titel: Das Phantom von Manhattan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth Wulf Bergner
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gekettet. Ich habe seine Hand- und Fußketten aufgeschnitten und ihn gedrängt herauszukommen. Er schien Angst zu haben, aber als er im Mondschein mich erkannte, ist er nach vorn geschlurft und zu Boden gesprungen. Ich habe ihn mit dem Umhang bedeckt, die Kapuze über seinen grausig entstellten Kopf gezogen und ihn zu der wartenden Droschke geführt. Der Kutscher hat über den gräßlichen Gestank gemurrt, aber ich habe ihm ein gutes Trinkgeld gegeben, und er hat uns zu meiner Wohnung hinter der Rue de Peletier gefahren. Ist es eine Sünde gewesen, ihn von dort wegzuholen?«
    »Es ist bestimmt eine Straftat gewesen, mein Kind. Er hat dem Schausteller gehört, so grausam dieser Mann auch gewesen sein mag. Aber eine Sünde vor Gott... das weiß ich nicht. Ich glaube nicht.«
    »Es gibt noch mehr, Pater. Haben Sie Zeit?«
    »Sie stehen am Tor zur Ewigkeit. Ich glaube, ich kann ein paar Minuten erübrigen, aber bedenken Sie, daß es hier vielleicht noch andere Sterbende gibt, die mich ebenfalls brauchen.«
    »Ich habe ihn in meiner kleinen Wohnung einen Monat lang versteckt gehalten, Pater. Er hat ein Bad genommen - das erste seines Lebens -, dann noch eins und viele weitere. Ich habe seine offenen Wunden desinfiziert und verbunden, so daß sie langsam heilten. Ich habe ihm Sachen aus dem Kleiderschrank meines Mannes gegeben und ihn gut ernährt, damit er wieder zu Kräften kam. Und er hat erstmals in seinem Leben in einem richtigen Bett mit Bettwäsche
geschlafen - ich habe Meg zu mir ins Zimmer geholt, was ohnehin besser war, weil sie schreckliche Angst vor ihm hatte. Wie sich zeigte, war er selbst starr vor Angst, wenn jemand an die Wohnungstür kam, und hastete davon, um sich unter der Treppe zu verstecken. Ich stellte auch fest, daß er reden konnte - französisch, aber mit Elsässer Akzent -, und im Lauf dieses Monats erzählte er mir seine Geschichte.
    Er war als Erik Mühlheim zur Welt gekommen - vor nunmehr vierzig Jahren. Im Elsaß, das damals noch französisch war, aber schon bald von den Deutschen annektiert werden sollte. Er war der einzige Sohn einer Schaustellerfamilie, die in einem Wohnwagen lebte und ständig von einer Stadt zur anderen zog.
    Er erzählte mir, er habe schon in früher Kindheit von den Umständen seiner Geburt erfahren. Die Hebamme hatte laut gekreischt, als sie das winzige Wesen aus dem Mutterleib kommen sah, denn der Kleine war schon damals gräßlich entstellt. Sie drückte das weinende Bündel der Mutter in den Arm, rannte davon und schrie dabei - die dumme Gans -, sie habe eine Frau vom Leibhaftigen persönlich entbunden.
    So kam der arme Erik auf die Welt - von Geburt an dazu verurteilt, von Menschen, die Häßlichkeit für ein äußerliches Zeichen der Sünde halten, gehaßt und verabscheut zu werden.
    Sein Vater war das Faktotum des Zirkus: Schreiner, Mechaniker und Mädchen für alles. Indem Erik bei der Arbeit zusah, entwickelte sich sein Talent für
alles, was sich mit Werkzeug und Händen bauen ließ. Und in den Nebenschauen lernte er die Illusionstechniken mit Spiegeln, Falltüren und Geheimgängen kennen, die später in seinem Leben in Paris eine so große Rolle spielen sollten.
    Aber sein Vater war ein Trinker und Schläger, der den Jungen ständig wegen geringfügigster Vergehen oder auch ohne Grund verprügelte; seine Mutter war eine nutzlose Person, die nur in der Ecke hockte und jammerte. Da er den größten Teil seines jungen Lebens unter Schmerzen und Tränen verbrachte, mied er den elterlichen Wohnwagen und schlief im Stroh bei den Zirkustieren, vor allem bei den Pferden. Als er mit sieben Jahren wieder einmal im Stall schlief, fing das große Zirkuszelt Feuer.
    Der Brand ruinierte den Zirkus. Die Artisten und das Personal zerstreuten sich und kamen bei anderen Unternehmen unter. Eriks Vater, der keine neue Arbeit fand, trank sich allmählich zu Tode. Seine Mutter lief weg, um im nahen Straßburg eine Stelle als Dienstmädchen anzunehmen. Als seinem Vater das Geld für Schnaps ausging, verkaufte er Erik an den Besitzer einer durchreisenden Kuriositätenschau. Er verbrachte neun Jahre in diesem Käfig auf Rädern und mußte sich zur Belustigung grausamer Menschen mit Schmutz und Mist bewerfen lassen. Er war sechzehn, als ich ihn dort gefunden habe.«
    »Eine mitleiderregende Geschichte, mein Kind, aber was hat das alles mit Ihren irdischen Sünden zu tun?«
    »Geduld, Pater. Lassen Sie mich ausreden, dann
werden Sie alles verstehen, denn bisher hat noch kein Mensch

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