Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
leider wieder verabschieden.«
    Marga rauschte gekränkt von dannen, Feli im Schlepptau, und Linda war sich schon jetzt sicher, wie wenig ihr gefallen würde, was sie zu sehen bekam. Sie ging zum Kühlschrank und kam mit der Grappaflasche und zwei schlanken Gläsern zurück.
    Sie prosteten sich schweigend zu. Michas Vater war wirklich alles andere als ein schlechter Kerl. Nur eben ein bisschen schwach. Aber das war nun glücklicherweise nicht mehr ihr tägliches Problem.
    Â»Das Haus ist so still, seitdem ihr weg seid«, sagte er leise, nachdem er ausgetrunken hatte. »Ein richtiges Geisterhaus. Beinahe wie damals, als Micha nach dem Abitur nach Hamburg gegangen ist. Nur eben noch viel ruhiger, Wahrscheinlich, weil Marga und ich inzwischen um einiges älter sind.« Er blinzelte leicht wie immer, wenn er gerührt war und es eigentlich nicht zeigen wollte. »Ich vermisse euch. Alle beide. Und Marga tut das auch. Allerdings auf ihre Art. Du kennst sie ja. Sie muss eben immer das Sagen haben …«
    Â»Ja«, sagte Linda seufzend und goss ihm noch einmal nach. »Das muss sie wohl.«
    Eine friedliche halbe Stunde verging, während sie den frischen Aprikosenkuchen aus dem Ofen holte, den Tisch deckte und sogar ein paar Kerzen aufstellte. Der Schreiner zwei Straßen weiter hatte gute Arbeit geleistet. Jetzt passte der Tisch ausgezeichnet in den kleinen Raum. Hugo hatte die Augen geschlossen und döste nebenan im Wohnzimmer ein bisschen vor sich hin, halb im Sitzen, auf dem alten Sofa, bescheiden und unaufdringlich, wie es seine Art war. Er schrak hoch, als wild geklingelt wurde.
    Â»Wir sind wieder da!« erschallte Margas Schlachtruf.
    Und dann ging alles irgendwie ganz schnell. Hinterher konnte Linda nicht einmal sagen, wer eigentlich angefangen hatte. Wahrscheinlich hätte sie sich nicht einmischen sollen, als Marga Hugo daran hindern wollte, das dritte Stück zu nehmen, weil ihm Lindas Kuchen so gut schmeckte, während sie damenhaft dezent immer noch am ersten herumpickte. Alles Show, und jeder am Tisch wusste es. Sie besaß einen beachtlichen Appetit, wollte aber offenbar ihre Verachtung für Lindas Backkünste öffentlich demonstrieren. Bald ging es nicht mehr um Hugos drittes Kuchenstück, sondern um Linda. Als Hugo und Feli es wagten, Partei für sie zu ergreifen, brach Marga prompt in Tränen aus.
    Â»Dass du immer zu ihr halten musst! Nur um gegen mich zu sein. Denkst du vielleicht, das merk’ ich nicht? Da hast du dich aber getäuscht. Ich bin wach, hellwach sogar, mein Lieber! Seit Jahren geht das schon so. Aber nicht mit mir, Hugo. Mit mir nicht mehr!«
    Sie bestand darauf, auf der Stelle aufzubrechen. Hier, wo jeder gegen sie war und keiner würdigte, was sie alles für ihren Mann tat, wollte sie keinen Augenblick länger bleiben. Schimpfend tönte sie von der Schlechtigkeit der Welt im allgemeinen und dem Undank und der Anmaßung gewisser Schwiegertöchter im besonderen. Linda versuchte zunächst, sie zu beruhigen, und machte verschiedentlich einen Ansatz, um doch noch einzulenken. Als Margas Kanonade sich aber ins Crescendo steigerte, verlor sie endgültig die Geduld.
    Â»Jetzt ist es ein für allemal genug!« Wie ein Racheengel wies sie Marga die Tür. Und dieses Mal war es eindeutig ihre Tür. »Du kannst dich wieder melden, wenn du zur Vernunft gekommen bist und dich bei mir entschuldigen möchtest. Allerdings zunächst telefonisch, wenn ich bitten darf! In der Zwischenzeit kann ich bestens auf jede Kontaktaufnahme von deiner Seite verzichten. Das gilt natürlich auch für Feli.«
    Marga holte tief Luft. Und blieb die Antwort keine Sekunde schuldig. Zwischenzeitlich waren sie im Treppenhaus angelangt.
    Â»Meinst du, ich lasse mich von einer wie dir so behandeln?«, schrie sie. »Ein Nichts bist du, ein Niemand von nirgendwoher! Leider hat mein verstorbener Sohn den bedauerlichen Fehler begangen, dich zu heiraten. Obwohl ich ihm schon damals dringend davon abgeraten habe. Und was hat er schon davon gehabt, das bisschen Zeit, das ihm noch geblieben ist? Ärger, Verdruss und nichts als Kosten! Du bist eine Niete im Beruf. Ein absoluter Reinfall als Schwiegertochter. Und nicht einmal eine halbwegs brauchbare Mutter, Linda. Nein, das bist du beim besten Willen nicht!«
    Feli hing an Lindas Rock und war nahe am Heulen; Hugo, der mit eingezogenem Kopf seiner tobenden Gattin gefolgt war,

Weitere Kostenlose Bücher