Das Prachtstück
Zehen bis in die Haarspitzen. Dies war ihre Nacht! Und niemand, niemand würde sie darum bringen.
»Lass dich überraschen!«
Irgendwie brachten sie das Kunststück fertig, sich mit ein paar höflichen Entschuldigungen an den Gastgebern vorbeizudrücken. Lachend wie verspielte Kinder, rannten sie mit groÃen Sätzen die Treppen runter. Unten stand sein Fahrrad. Alt, fast schon klapprig, aber noch durchaus funktionstüchtig. Sogar das Licht war in Ordnung.
Wie in einem nostalgischen amerikanischen Kultwestern setzte er sie vor sich auf die rostige Stange und strampelte los. Die Stadt schlief schon tief. Nur wenige Autos begegneten ihnen. Vor einem groÃen, beeindruckenden Gebäude hielt er an. Viel Glas, eine kühne Stahlkonstruktion. Marmorfassade. Erst vor kurzem fertiggestellt. Sie hatte darüber gelesen und im Vorbeifahren das Fortschreiten des Baus immer wieder verfolgt.
» Da wohnst du?«
Er zog die Achseln hoch wie ein verlegener Harlekin und legte den Finger verschwörerisch auf die Lippen.
Sie küssten sich im Lift, bis er mit einem sanften Plopp im obersten Stockwerk hielt, und den ganzen Gang entlang, bis sie schlieÃlich vor der Wohnung standen. Fabian hantierte mit einer Chipkarte, und die Tür sprang auf. Tausend Sterne beleuchteten die Diele, kleine, geschickt versenkte Halogenlampen bei näherem Hinsehen, die er mit einem Dimmer in geheimnisvolles Dämmerlicht verwandelte.
Ein riesiger Raum, sparsam, aber edel möbliert. Fensterfront mit Blick auf die dunkle Stadt. Auf einem Podest das groÃe Bett, umringt von einem halben Dutzend groÃer Kandelaber. Mitten im Zimmer stand ein antiker Männertorso, auf dem das bleiche Mondlicht lag. Jetzt bereute Sofie, dass sie keine raschelnden Röcke trug, die sich malerisch im Zimmer hätten verteilen lassen. Sie war froh, als sie endlich aus ihrer engen Pelle befreit war und weiche Sommerluft ihren Leib streichelte.
Nackt war Fabian der schönste Mann, den sie je gesehen hatte. Seine Haut glatte Seide, unter der man die straffen Muskeln fühlte, Proportionen wie aus dem Bilderbuch. Lange, sehnige Beine, ein fester, runder Po. Einen Augenblick überfiel sie beinahe so etwas wie Scheu, als sie an ihren eigenen Körper dachte, an dem sie phasenweise immer wieder mal dies und das auszusetzen hatte, Fabians leidenschaftliche Liebkosungen aber lieÃen ihr keine Zeit dazu.
Er streichelte sie, küsste ihre Brüste, kitzelte mit seinen weichen dunklen Haaren ihren hellen Bauch. Wie Tag und Nacht, dachte sie noch, oder Yin und Yang.
Und dann, als er ihre Beine spreizte und ganz zu ihr kam, dachte sie gar nichts mehr.
Der Himmel färbte sich nach zartem Leuchten orangerot. Bläulich. SchlieÃlich zartviolett. Dann stieg die Sonne langsam hinter den grauen Häusern empor. Sofie küsste behutsam Fabians feuchte Schläfe. Wie ein müder heidnischer Gott lag er in den Kissen, die Nase fest gegen den Untergrund gepresst.
Er atmete unruhig. Er schien zu träumen.
Sie war bereits wieder angezogen, frisch geduscht, aber innerlich wie äuÃerlich zerzaust. Ihren Brief legte sie auf das Laken neben seinem Kopfkissen. Sie hoffte, er würde ihn gleich nach dem Aufwachen lesen. Sie hoffte, sie würde ihn bald wiedersehen. Sie hoffte, es würde für mehr als eine Nacht sein â¦
Fa-bi-an: Wie ein magischer Dreiklang schwang dieser Name in ihrem Blut.
Sie küsste ihn abermals. Diesmal auf die Lider, die unter ihrer Berührung leicht flatterten. Dann verlieà sie nach einem letzten Blick auf den Schlafenden die luxuriöse Wohnung.
Ziemliches Glück, dass sie so schnell ein vorbeifahrendes Taxi aufhalten konnte! Innen roch es penetrant nach Rauch und dem ungewaschenen Schopf ihres Chauffeurs, was sie halbwegs wieder in die Realität zurückbrachte. Trotzdem zitterten ihre Hände, als sie ihre Wohnung aufsperrte. Sie gab sich einen Ruck.
Besser jetzt als nie. Es würde leichter sein, wenn sie es erst einmal hinter sich gebracht hatte.
»Hannes!«, rief sie und ärgerte sich trotz allem, dass ihre Stimme so klein und schuldbewusst klang. »Ich binâs! Schläfst du noch?«
Keine Antwort. Sie hatte auch keine erwartet, wenn sie ehrlich sein wollte.
Er war nicht in der Küche, nicht im Bad. Und auch nicht im Wohnzimmer. Die Tür zum Gästezimmer, von ihm als Büro zweckentfremdet, stand offen. Ãberall lagen Karteikarten herum,
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