Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Prachtstück

Das Prachtstück

Titel: Das Prachtstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
geschickte Hände und wirbelte Lindas Schopf Partie für Partie sorgfältig um bunte, daumendicke Papilloten. Es stank nicht so grässlich wie früher, als Dauerwellen unweigerlich wie Fallobst rochen, dass man viel zu lange sich selbst überlassen hatte. Sie übte sich in Geduld und las sich nebenbei durch die neuesten Ausgaben von Madame, Elle und Cosmopolitan, alles Lektüre, zu der sie im wirklichen Leben niemals kam; sie trank zwei Tassen des köstlichen hausgebrauten Kaffees, und als sie nach einigen Tupf-, Spül- und Pflegegängen auch noch die Spezial-Infrarotlampe überstanden hatte, begann sie zu strahlen.
    Manni, ihr Verschönerer, schien ebenfalls äußerst zufrieden mit seinem Werk. »Wow!«, kommentierte er. »Hut ab! Das war’s dann mit der braven Tochter aus gutem Hause!« Inzwischen duzten sie sich längst. Er konnte Bratwürste essen, astrein, wie er ihr versicherte. Von anderem ganz zu schweigen. Die meisten scharfen Sachen wurden, wie er ihr eindringlich erklärte, mit diesem Bobbel in der Lippe erst richtig »geil«. »Eine raffinierte Mischung aus Unschuld und Verruchtheit. Das haut deinen Typen endgültig um. Wetten?«
    Linda schluckte nicht einmal, als sie an der auf antik getrimmten Kasse zweihundertfünfzig Euro bezahlen musste. Ringsherum warfen die polierten Spiegelwände das Bild einer attraktiven, gutgelaunten jungen Frau mit blonden Locken zurück. Die ganze Zeit unter Mannis gefühlvoller Kopfhautmassage und zwischen ihrer Lektüre über Gartenpartys für zwanzig Freunde, Anregungen, um Zellulitis zu vermeiden, sowie Tipps, wie sich kränkelnde Zimmerpflanzen im Handumdrehen mit original kalifornischen Bachblüten heilen ließen, hatte eine Idee, die sie schon seit längerem beschäftigte, mehr und mehr Form angenommen. Witzigerweise war der Anstoß dazu von Sofie gekommen, obwohl sie nur ganz beiläufig davon erzählt hatte, dass die Pacht für die Verlagskantine in Kürze neu vergeben werde. Vielleicht stehe damit das Ende der Scheußlichkeiten in Sicht, die ihnen dort jeden Mittag aufgetischt würden. Sicherlich erinnerte sie sich nicht einmal mehr daran.
    Linda jedoch hatte, wie es ihre Art war, sehr genau zugehört und alles bis ins kleinste Detail gespeichert. Sie musste dringend Lumpi Wagner anrufen, Sofies netten Kollegen, der so viel vom Essen verstand.
    Denn plötzlich wusste sie, wie diese Idee in die Tat umzusetzen war.
    Die Vorstellung, mit Brunos Hilfe und einer ganzen Portion Glück bald Graziellas Launen für immer zu entkommen und endlich die lästigen Sorgen vergessen zu können, wie sie ihren und Felis Lebensunterhalt einigermaßen stressfrei finanzieren solle, beflügelte sie. Sie verzichtete darauf, sich mit den vielen anderen in die heiße S-Bahn zu quetschen, sondern ging lieber zu Fuß nach Hause, vorbei am Deutschen Museum, das mit grellen Plakatwänden für eine Sonderausstellung über Flugkörper warb. Natürlich fiel ihr prompt wieder Robert ein, aber diesmal machte sie der Gedanke an ihn froh und leicht. Es gab eine logische Erklärung für sein Verhalten, darüber war sie sich auf einmal ganz sicher. Nur noch ein bisschen Geduld, dann würde sie sie schon zu hören bekommen.
    Soviel Vertrauen schuldete sie ihm, diesem Mann, der ihr Herz heiß werden ließ wie kaum einer vor ihm.
    Leicht stöhnend unter der Sommerglut, die nach dem Überqueren der Isar unbarmherzig zwischen den Häuserfronten auf sie herunterstach, nahm sie den kleinen Hügel hinauf zum Gasteig. In einer der Nebenstraßen war der private Kindergarten, eine Elterninitiative mit hohen pädagogischen und sozialen Ansprüchen, auf dessen Warteliste Feli seit Wochen stand. Sie durchquerte eine dämmrige Hofeinfahrt, um dann eine Schar müder, erhitzter Kinder in einem spärlich begrünten Hinterhof herumhängen zu sehen, während zwei sehr jugendliche Erzieherinnen keinerlei Anstalten machten, ihr offenbar äußerst anregendes Gespräch zu unterbrechen.
    Linda blieb eine Weile als unbemerkte Beobachterin stehen, dann ging sie leise lächelnd wieder nach draußen.
    Jetzt noch mehr erwärmt für ihre Idee als zuvor.
    Endlich hatte sie auch den Mut, die Probenräume zwei Straßen weiter zu betreten, um die sie schon einige Male unverrichteter Dinge herumgeschlichen war. Der Damenchor mit dem schönen Namen Die

Weitere Kostenlose Bücher