Das Prachtstück
Stimme klang leicht belegt. »Bist du ganz sicher? Jeden Tag für hysterische Zeitungsleute kochen?«
»Erstens sind nicht alle hysterisch, und ich koche ja nicht alleine. Ich habe Rosi abgeworben, die es kaum noch erwarten kann, und Sebastian, ihren Freund aus Niederbayern. Zweitens kann von Traumjob keine Rede sein. Obwohl ich herausgefunden habe, dass Organisieren mir viel Spaà macht â auch eine verblüffende Erkenntnis der letzten Monate. Aber ich bin endlich selbstständig, habe abends frei und damit wenigstens ab und zu Aussicht auf ein bisschen Privatleben. Ausgehen zum Beispiel, Vernissagen besuchen, Freunde sehen, Filme anschauen ⦠oder singen. AuÃerdem weià ich Feli im Verlagskindergarten bestens untergebracht. Eigentlich ist das für mich an der ganzen Sache das Ausschlaggebende.«
Er schaute sie mit einem seltsamen Ausdruck an.
»Nicht, dass sie das bei euch nicht auch gut aufgehoben gewesen wäre«, fügte sie schnell hinzu. Sie wusste, wie empfindlich Bruno sein konnte. »Keinen Schimmer, was ich ohne euch beide gemacht hätte, ehrlich! Mich vermutlich auf der Stelle erschossen. Oder einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen bekommen. Aber ganz im Ernst: Die Kleine ist viel zu oft unter Erwachsenen. Sie braucht dringend â¦Â«
»⦠Kinder«, fiel Bruno ein. »Weià ich auch. SchlieÃlich habe ich selber drei Töchter. Sie wird uns trotzdem fehlen.«
»Wir sind doch nicht aus der Welt«, sagte Linda gerührt. »Im Gegenteil: Jetzt können wir endlich mal was unternehmen â alle zusammen.«
»Stimmt schon. Aber auf einmal so erschreckend vernünftig und gut organisiert, ihr beiden Küken«, seufzte er. »Da kommt man sich selber ja gleich noch ein ganzes Stück älter vor.«
»Männer wie du werden doch nicht älter«, sagte sie liebevoll, »sondern nur weiser. Beziehungsweise reifer. Wie guter Rotwein. Oder hervorragender Camembert.« Woraufhin Bruno endgültig fällig für seinen dritten, groÃzügig eingeschenkten Sherry war.
Leider konnte sie Robert nicht erreichen, um ihm die frohe Botschaft gleich mitzuteilen. Er war mit einem Freund unterwegs, Willi Baumann, der ihm bei der Gründung seiner neuen Existenz helfen wollte. Und ausnahmsweise ohne Handy. Eine Sucht, so hatte Robert sein mobiles Telefon bezeichnet, etwas, von dem er eine Zeitlang einmal ganz frei sein wollte, um sich neuen, wichtigeren Dingen zuzuwenden. Eine Mitwohnzentrale war es, was den beiden vorschwebte, eine Agentur, um Mietwillige und vorübergehend freien Wohnraum möglichst schnell und möglichst effektiv zusammenzubringen. Natürlich gebe es das schon mehrfach, selbst in München, aber nirgendwo so perfekt und auf so hohem Niveau, wie es künftig bei ihnen sein solle, hatte er ihr versichert. SchlieÃlich sei er ja vom Fach und verstehe einiges von diesem Metier. Fast drei Jahre enervierende Maklertätigkeit in dieser furchtbaren Firma durften nicht umsonst gewesen sein!
Fast immer, wenn er von diesen oder anderen beruflichen Plänen sprach, überfiel Linda leiser Schwindel. Sie hätte nicht genau nachvollziehen können, was sie daran irritierte; ja es nicht einmal benennen. Nur vage war sie in der Lage, dieses durch und durch merkwürdige Gefühl zu erklären: eine Art süÃe Lähmung, verbunden mit der Angst, unaufhaltsam einem drohenden Abgrund entgegenzuschlittern. Nimm dich zusammen! rief sie sich selber zur Ordnung. Er ist nichts weiter als ein junger Mann, der nach einigen Enttäuschungen neue Aufgaben sucht. Er wird wissen, was er tut. SchlieÃlich ist er nicht allein. Er hat einen Partner und Freund, der ihm zur Seite steht. Und schlieÃlich auch noch dich, die Frau, die ihn von ganzem Herzen liebt.
Wieso machte sie dann allein der Gedanke daran schon halb verrückt? Weshalb würde sie ihm am liebsten vorschlagen, sich in irgendeiner Weise an ihrem Kantinenprojekt zu beteiligen, wenn sie nur ansatzweise gewusst hätte, wie sie es anstellen sollte?
Es blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten. Und zu hoffen, dass alles doch noch gut werden würde, wenn Robert und Willi Baumann erst einmal aus Frankfurt zurück waren, wo sie sich von einem ähnlichen Projekt interessante Anregungen erhofften.
Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war sie nervös und merkwürdig niedergeschlagen, dabei hätte sie nach
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